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Team Seminar-AG - KB (Nord)
Thema Sowjetunion 1921 - 1939 - von Lenin zu Stalin - Teil II: Phase der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) 1921 - 1927 - Bündnis mit den Bauern - Wirtschaftliche Konsolidierung (mit dem politisch-ökonomischen Schwerpunkt des Klassenkampfes) ( Original )
Status 1989 - Materialsammlung
Letzte Bearbeitung 08/2004
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17. Neue Ökonomische Politik - Bündnis mit den Bauern - Wirtschaftliche Konsolidierung - Ausschaltung der politischen Opposition
18. Dokument 11: Helga Schuler-Jung: Die Einführung der NEP (1921)
1. Rückzug in Etappen
2. Auswirkungen der NEP auf die Entwicklung der Landwirtschaft
3. Auswirkungen der NEP für die Industrie
4. Die Herbstkrise des Jahres 1923
5. Die Stellung der Arbeiter unter der NEP
19. Lenins Konzeption der NEP
20. Dokument 12 - 14: Lenin: Über das Genossenschaftswesen - Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen - Lieber weniger, aber besser
23. Die Entwicklung der NEP bis 1927 ´Scherenkrise´ und Debatte um die Sozialistische Wertschöpfung
24. Dokument 15: Heiko Haumann: Krisen der Neuen Okonomischen Politik 1923 - 1928
25. Dokument 16: Edward Hallen Carr: Die Anfänge der Wirtschaftsplanung
26. Dokument 17: Maurice Dobb: Die Diskussion in den zwanziger Jahren über den Aufbau des Sozialismus
27. Dokument 18: Alexander Erlich über Bucharin: ´Bauern: Bereichert euch, akkumuliert, entwickelt eure Wirtschaft!´

17. Neue Ökonomische Politik - Bündnis mit den Bauern - Wirtschaftliche Konsolidierung - Ausschaltung der politischen Opposition

Wirtschaftspolitisch läßt sich die sowjetische Entwicklung zwischen 1921 und 1929 grob in zwei Perioden unterteilen:
Diese gesamte Zeit war begleitet von erheblichen parteiinternen Auseinandersetzungen
Diese Diskussionen nahmen den Charakter unversöhnlicher Fraktionskämpfe an
Im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Schwierigkeiten stand die Notwendigkeit, in der Sowjetunion die Wirtschaft nach Krieg und Bürgerkrieg unter Bedingungen absoluten Elends wieder aufzubauen.
Die freie Warenwirtschaft führte in den Dörfern zu Differenzierungsprozessen zwischen den bäuerlichen Schichten, deren Bedeutung unterschiedlich gewertet wurde;
Weiteres Feld der Auseinandersetzung war das Tempo der Entwicklung, die für die jeweiligen Wirtschaftszweige eingeschlagen werden sollte.
Dieser Faktor und weitere politisch-organisatorische Fehler bei der Getreidebeschaffung führten 1927/28 eine wirtschaftliche Krise und ab Mitte 1928 auch eine politische Krise herbei.
Die Bedeutung der Behandlung dieser Periode sowjetischer Politik liegt (im Jahre 1989)in zwei Punkten.
  1. Lenins Konzeption der Neuen Ökonomischen Politik und ihre Weiterführung durch Bucharin dient der gegenwärtigen sowjetischen Führung als Beleg für die bedeutende historische Traditionslinie, in der sich die Politik der Öffnung zu mehr Markt befinde.
  2. Zweitens hat die sowjetische Landwirtschaft bis heute mit den Folgen der Zwangskollektivierung zu kämpfen, was innerhalb der KPdSU heute der Strömung Auftrieb verleiht, die eine weitgehende Reprivatisierung der landwirtschaftlichen Produktion anstrebt.
Juni 1989 to

18. Dokument 11: Helga Schuler-Jung: Die Einführung der NEP (1921)

[aus: Dies.: Ökonomie und Politik in Sowjetrußland 1920 - 1924, Marburg 1978, S. 32 - 53]

1. Die Einführung der NEP

1. Rückzug in Etappen

Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die auf dem X. Kongreß der KPR(B) eingeleitet und im Laufe des Jahres 1921 weiter ausgebaut wurden, hatten unmittelbar zum Ziel, das Bündnis zwischen Bauernschaft und Proletariat wiederherzustellen, dessen faktischer Zusammenbruch den Bestand der Sowjetunion gefährdete. Diese Maßnahmen wurden zunächst noch nicht als eine "grundsätzliche Änderung der Wirtschaftspolitik" verstanden,*61 Der wichtigste Faktor für eine umfassendere Revision der Wirtschaftspolitik war jedoch
"Wir müssen erkennen, daß sich der Rückzug als unzureichend erwiesen hat, daß wir einen zusätzlichen Rückzug antreten müssen, noch weiter zurück, indem wir vom Staatskapitalismus zur staatlichen Regelung des Kaufs und Verkaufs und des Geldumlaufs übergehen. Der Warenaustausch war ein Fehlschlag, der Privatmarkt hat sich als stärker erwiesen als wir . ., ." (sagte Lenin im Oktober 1921)*67
Diese Illusion wurde nun fallengelassen*71 und anerkannt, daß
"auf einen unmittelbaren kommunistischen Übergang"
nicht gerechnet werden konnte:*72
"daß zwischen dem kapitalistischen Regime und dem vollendeten Sozialismus unvermeidlich eine lange Epoche liegen muß, in deren Verlauf das Proletariat . . . sich in immer höherem Grade des Marktes bemächtigt, schließlich den Markt beseitigt und durch einen zentralistischen Plan ersetzt. Auf diesem Wege befindet sich nun heute die Sowjetrepublik. Sie steht aber dem Ausgangspunkt unvergleichbar näher als dem Endziel." ()*73
Zwar wurde anerkannt, daß die NEP eine "schroffe Wendung" bedeutete, aber für das Selbstverständnis von Lenin*74 und Trockij beschritt die Sowjetregierung damit nur denjenigen
"Wirtschaftsweg..., den sie zweifellos schon in den Jahren 1918 - 1919 gegangen wäre, wenn die unabweisbaren Erfordernisse des Bürgerkrieges sie nicht genötigt hätten, die Bourgeoisie auf einen Schlag zu enteignen, ihren Wirtschaftsapparat zu zerstören und ihn überdies durch den Apparat eines Kriegskommunismus zu ersetzen." ()*75
Trockij sah in der NEP zudem ein Aufgreifen der Vorschläge, die er dem ZK bereits im Februar 1920 gemacht hatte.*76 Die Auffassung, die NEP sei eine Wiederaufnahme der staatskapitalistischen Versuche von 1918 nach der durch den Bürgerkrieg bedingten Zwischenphase des Kriegskommunismus, wie sie heute von der Geschichtsschreibung der SU vertreten wird,*77 berücksichtigt jedoch nicht, daß die staatskapitalistischen Vorstellungen Lenins und Trockijs bereits im Mai 1918 auf dem Ersten Gesamtrussischen Kongreß der Regionalen Volkswirtschaftsräte, also "vor dem ‚Fieber des Bürgerkrieges‘ unter dem Druck der revolutionären Arbeiter" zugunsten des Programms der Linken Kommunisten fallengelassen worden waren*78 , und daß die NEP erst im März 1921 in Angriff genommen wurde, nicht aber - abgesehen von Trockijs halbherzigem Versuch im Februar 1920 - unmittelbar nach dem Ende des Bürgerkrieges, wie es nach dieser Interpretation erwartet werden müßte. *79
Mit der NEP legalisierte die Sowjetführung Sie stützte sich dabei auf einige "Kommandohöhen" der Volkswirtschaft: Mit ihrer Hilfe hoffte sie die kleinbürgerlichen und kapitalistischen Tendenzen, zunächst in Schach halten und später überwinden zu können.
"Mit den Bauern im Frieden leben und eine marktlose Wirtschaft durch planmäßige Ausnutzung aller Mittel des Marktes herbeiführen - das ist der wirtschaftspolitische Grundgedanke der NEP."

2. Auswirkungen der NEP auf die Entwicklung der Landwirtschaft

Die erhoffte stimulierende Wirkung auf die Aussaatkampagne des Jahres 1921 hatten die Beschlüsse des X. Parteitages nicht: Als jedoch das Jahr 1922 eine ungewöhnlich reiche Ernte brachte, Nun zeigte sich, daß die NEP Kräfte frei setzte, "die in kürzester Frist die in den Kriegs- und Bürgerkriegsjahren erlittenen Schäden beseitigten."*85 Das mit der Agrarrevolution einhergehende Wiederaufleben der obscina, der Dorfgemeinde, hatte nachteilige Auswirkungen: Die wichtigsten Hemmnisse für eine Steigerung der Arbeitsproduktivität auf dem Dorf, die "oft nur den zwölften Teil des Niveaus in der Stadt" erreichte*91 , waren:
"Nach Schätzungen der sowjetischen Fachleute erntete das russische Dorf nur die Hälfte des Ertrages, der durch eine Rationalisierung der landwirtschaftlichen Arbeit und eine Modernisierung der Agrarverfassung hätte erzielt werden können." ()*92
Da die obscina zwar das Land, nicht aber das lebende und tote Inventar umverteilte, enthielt sie bereits den Keim einer neuerlichen sozialen Differenzierung auf dem Dorfe, die sich nach der Wiederzulassung des freien Handels unter der NEP voll entfalten konnte. "Erziehung und Ausbildung wurden so zum Privileg der sozial besser gestellten Schichten des Dorfes", die allein in der Lage waren, die Lehrmittel und die Lehrer für ihre Kinder zu bezahlen. *95

Die Dorfsowjets, Das Ausmaß und die Entwicklungstendenz der sozialen Differenzierung auf dem Lande zu erfassen war für die staatlichen Organe sehr schwierig, da es vielfältige Formen der Verschleierung der tatsächlichen Abhängigkeitsverhältnisse gab; Zur Beschreibung des Differenzierungsprozesses wurden folgende Kategorien verwandt: Die Übergänge zwischen den einzelnen Kategorien waren fließend. Verlor etwa ein Mittelbauer sein Pferd, konnte er sehr schnell zum armen Bauern absinken.
1924/25 wurden von insgesamt 110,6 Mill. Landbevölkerung zugerechnet:
"Die zentrale Figur des russischen Dorfes blieb . . . der ärmere Mittelbauer, der bis zu 4 Desjatinent*103 . Saatfläche . . .‚ ein Pferd und eine Kuh besaß." ()*101
"Letzten Endes war das Problem der agrarischen Überbevölkerung nur durch die Industrialisierung sowie die hiermit verbundene umfassende Intensivierung und Rationalisierung- der landwirtschaftlichen Produktionsweise zu lösen." ()*107

3. Auswirkungen der NEP für die Industrie

Für die Industrie bedeutete die NEP Auf dem X. Parteitag konstatierte Lenin:
"Wir sind zu weit gegangen auf dem Wege der Nationalisierung des Handels und der Industrie, auf dem Wege der Drosselung des lokalen Umsatzes. War das ein Fehler?" ()*108
Die Bolscheviki waren sich darüber im klaren, Die Entfaltung des staatlichen Wirtschaftssektors wurde auch dadurch gehemmt, daß es dessen Leitungsorganen sehr schwer fiel, Die Disproportionalitäten der Wirtschaftsentwicklung führten in der Anfangsphase der NEP zu einer Reihe von Wirtschaftskrisen: Als Reaktion auf die verlustreiche Phase der Dezentralisierung eine Entwicklung, die Trockij auf dem XII. Parteitag der KPR(B) im April 1923 in einem Diagramm dargestellt und als "Schere" bezeichnet hat.*118

4. Die Herbstkrise des Jahres 1923

Seit der Einführung der NEP bemühte sich die Sowjetregierung um die Stabilisierung der Währung, da nach der Rückkehr zur Geld- und Marktwirtschaft eine feste Währung zur Kontrolle und Regulierung des Wirtschaftsgeschehens und für das angestrebte Bündnis zwischen Stadt und Land von entscheidender Bedeutung war. Daß dabei auch die Löhne der Arbeiter, die seit der Einführung der NEP zunehmend in Geldform ausgezahlt wurden,*128 stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, war eine der Ursachen für die Streikbewegung des Jahres 1923. Dasselbe gilt für die Arbeitslosigkeit, die ab 1922 vor allem in den Städten der SU immer beunruhigendere Ausmaße annahm. Dies war auf ein Zusammentreffen verschiedener Faktoren zurückzuführen: Im Unterschied zur Arbeitslosigkeit in kapitalistischen Staaten, in denen sie stets die Folge einer Rezession ist, Deshalb hielten Partei und Regierung die Arbeitslosigkeit zunächst für eine rasch vorübergehende Randerscheinung, die im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs "von selbst" wieder verschwinden werde, und wandten ihr keine besondere Aufmerksamkeit zu.*134

5. Die Stellung der Arbeiter unter der NEP

Die Beiläufigkeit, mit der dieses Problem von der Partei- und Staatsführung behandelt wurde, deutet auch auf eine Veränderung des Kräftegleichgewichts zwischen den verschiedenen Klassen und Bevölkerungsschichten seit dem Ende des Kriegskommunismus hin: Innerbetrieblich bedeutete die Rückkehr zum Rentabilitätsprinzip und die Abkehr vom Kollegialitätsprinzip zugunsten der "Einzelleitung" ebenfalls eine Schwächung der Position der Arbeiter: In der NEP fand die gesunkene volkswirtschaftliche Bedeutung der Arbeiterklasse ihren politischen Ausdruck: Davon erhoffte sich die Partei auch ein Wiedererstarken ihrer Klassenbasis:
"Die Kapitalisten werden aus unserer Politik Vorteile ziehen und werden ein Industrieproletariat schaffen, das bei uns durch den Krieg und die furchtbare Verwüstung und Zerrüttung deklassiert, d. h. aus seinem Klassengeleise geworfen ist und aufgehört hat, als Proletariat zu existieren. Proletariat heißt die Klasse, die mit der Produktion materieller Güter in Betrieben der kapitalistischen Großindustrie beschäftigt ist. Soweit die kapitalistische Großindustrie zerstört ist, soweit die Fabriken und Werke stillgelegt sind, ist das Proletariat verschwunden. Es wurde wohl manchmal der Form nach als Proletariat gerechnet, aber es hatte keine ökonomischen Wurzeln. Wenn der Kapitalismus wiederersteht, so heißt das, daß auch die Klasse des Proletariats wiedererstehen wird, das mit der Produktion materieller, für die Gesellschaft nützlicher Güter beschäftigt ist, das in maschinellen Großbetrieben tätig ist . ." ()*147
Die skeptische Haltung von Partei und Staatsorganen gegenüber weiten Teilen des Proletariats war jedoch nicht nur auf die als "Deklassierung" bezeichneten Veränderungen zurückzuführen, Eine ähnliche Umkehrung der Einschätzung gab es hinsichtlich des Streiks, der eine der wichtigsten Waffen im Kampf gegen den Zarismus gewesen war. In dieser Aufgabenstellung war ein doppelter Widerspruch angelegt: Zur Beilegung der aus diesen Widersprüchen notwendig entstehenden Konflikte und Reibungen wurden die Gewerkschaften der Kommunistischen Partei als Schiedsinstanz untergeordnet. Damit wurde ihre Selbständigkeit von vornherein stark eingeschränkt.
Die unmittelbaren Interessen der Arbeiter und die Arbeit der Gewerkschaften wurden dem vordringlichen Ziel der Boljeviki, dem
"schnelle(n) und möglichst nachhaltige(n) Erfolg bei der Wiederherstellung der Großindustrie"
untergeordnet, ohne den
"der Erfolg des gesamten Werkes der Befreiung der Arbeit vom Joch des Kapitals... ‚ der Sieg des Sozialismus (für) undenkbar" ()*153
gehalten wurde.


Anmerkung: die Nummerierung der Fussnoten folgt Orinalreihenfolge - allerdings als Endnoten statt Seitennoten.
*58
W. I. LENIN: Referat über die Ersetzung der Ablieferungspflicht durch die Naturalsteuer, Werke Bd. 32, S. 217 ff.

*59
Vgl. Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 120ff.

*60
Zur Regelung des Warentausches zwischer Stadt und Land vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 137ff.

*61
Wirtschaftspolitik. Materialien 1917 - 1921, in: Das Argument 82, 15. Jg. (1973). S. 768 - 803, S. 785 f.

*62
Gosudarstvennaja komissija po elektrifikacii Rossii (Staatliche Kommission zur Elektrifizierung Rußlands); vgl. hierzu: Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 75 - 78 und Heiko HAUMANN: Beginn der Planwirtschaft. Elektrifizierung, Wirtschaftsplanung und gesellschaftliche Entwicklung Sowjetrußlands 1917 - 1921, Düsseldorf 1974, Kap. VI - IX

*63
GOSPLAN: Gosudarstvennaja planovaja komissija. Vgl. Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 235 - 240

*64
W. I. LENIN: Ersetzung der Ablieferungspflicht, a. a. 0., Werke Bd. 32, S. 222

*65
Vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 16 - 189

*66
Richard B. DAY, a. a. 0., S. 47 - 55. Im Unterschied zu Lenin hielt Trockij es für unwahrscheinlich, daß die kapitalistischen Länder den Wiederaufbau der SU mitfinanzieren würden.

*67
W. I. LENIN: Über die Neue ökonomische Politik. Werke Bd. 33, S. 77

*68
Vgl. hierzu Gert MEYER, a. a. 0., S. 149 - 163

*69
Heiko HAUMANN: Die russische Revolution, a. a. 0., S. 786

*70
W. I. LENIN: Die NöP und die Aufgaben der Ausschüsse für politisch-kulturelle Aufklärung. Werke Bd. 33, S. 40 f.

*71
Ders.: Über die NOP, Werke Bd. 33, S. 84, aber auch S. 77, 74

*72
Den.: Die NOP und die Aufgaben . . . Werke Bd. 33, S. 49

*73
Leo TROTZKI: Die Wirtschaftslage Sowjetrußlands vom Standpunkt der Aufgaben der sozialistischen Revolution, in: Ders.: Grundfragen der Revolution, a. a. 0., S. 457-471, S. 468. In dieser Frage stimmte Trockij völlig mit der übrigen Parteiführung überein, in deren Auftrag er die NEP vor dem IV. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale im November 1922 erläuterte.

*74
W. I. LENIN: Die NÖP und die Aufgaben..., a. a. 0., Werke Bd. 33, S. 40 f.

*75
Leo TROTZKI: Die Wirtschaftslage a. a. 0., S. 464

*76
Vgl. Leo TROTZKI: Mein Leben, a. a. 0., S. 425. Sowohl hier als auch in Ders.: Der neue Kurs. Berlin 1972, S. 79 f, wo Trockij seinen Brief an das ZK teilweise wiedergab, ließ er 2 der 4 von ihm vorgeschlagenen Punkte weg, denn diese passten nicht zu seiner Interpretation, die NEP bedeute die Verwirklichung seiner damaligen Vorschläge. Die beiden Punkte lauten: "3. Die Requisition, die sich nach dem Speichergetreide richtet, wird ergänzt durch eine Zwangsrequisition, die sich an der Größe der bestellten Bodenfläche und dem allgemeinen Stand der Bodenbearbeitung orientiert.
4. Die Sowjetwirtschaften müssen in größerem Maßstab ausgebaut und sachgerecht geführt werden."
Lev TROCKJJ: Socinenija. Tom XVII. east‘ II. Moskva 1926, S.513 f. Übers. nach Gert MEYER, a. a. 0., S. 134, der auf die Ambivalenz von Trockijs Haltung hinweist.

*77
Vgl. u. a. P.N. POSPELOW u. a. (Redaktionskollektiv): Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in 6 Bänden. Hrsg. vom Institut für MarxismusLeninismus beim ZK der KPdSU. Band IV: D. M. KUKIN, 1. D. NASARENKO u. a.: Die Kommunistische Partei im Kampf für den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR 1921 - 1937. 1. Buch: 1921 - 1929, Moskau 1973, S. 95

*78
Richard LORENZ: Anfänge..., a. a. 0., S. 149f. Zu den damaligen Vorstellungen Lenins und Trockijs vgl. S. 141 - 146. Zum Begriff des Staatskapitalismus vgl. oben Anm. 11 a.

*79
Vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 133 - 136, der auch die inhaltlichen Differenzen zwischen den Konzeptionen von 1918 und 1921 nachweist.

*80
Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 127

*81
Vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 167 f.

*82
Ebd., S. 176 ff.

*83
Vgl. Jean ELLEINSTEIN, a. a. 0., Bd. 1, S. 199

*84
Vgl. Edward Hallett CARR: The Interregnum 1923-1924. Harmondsworth, Ringwood 1969, S. 16

*85
Richard LORENZ: Die Sowjetunion (1917 - 1941), a. a. 0., S. 300

*86
Vgl. E. H. CARR: The Interregnum, a. a. 0., S. 14

*87
Für die Jahre 1917 und 1920 konnten keine Angaben über die Gesamtzahl der Einwohner der UdSSR ermittelt werden. Zur Orientierung: In den Grenzen der UdSSR von 1939 lebten 1913 ca. 159,2 Mio, 1926 147 Mio und 1939 170,6 Mio Menschen. B. A. VVEDENSKIJ (Glavnyi redaktor): Bol‘ saja Sovetskaja Enciklopedija. Tom 50: SSSR. Moskva 1957 2, S.105; S. I. WAWILOW u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie der UdSSR, Bd. 1, Berlin 1950, S. 33

*88
Vgl. Hans RAUPACH, a. a. 0., S. 38

*89
Zu den Auswirkungen der obscina vgl. Gert MEYER, a. a. 0., S. 250 - 262

*90
Vgl. Gert MEYER: Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Sowjetrußlands und der Sowjetukraine vom Ende des Bürgerkrieges bis zum Ersten Fünfjahrplan (Thesen), in: A. S. MAKARENKO und die Sowjetpädagogik seiner Zeit. Marburg 1972, S. 65 - 87, S. 72

*91
Ebd., S. 73

*92
Gert MEYER: Studien ...‚ a. a. 0., S. 254 - 260

*93
Zur Ausstattung der Höfe mit Saatfläche und Zugvieh vgl. Hans RAUPACH, a. a. 0., S. 39 für 1917 und 1919 und Gert MEYER, Studien a. a. 0., S. 289 f. für 1920 - 1924 und S. 274 (die Zahlen weichen etwas voneinander ab, die von MEYER sind differenzierter).

*94
Die Lesehütten waren als Stützpunkt für die politische Aufklärungsarbeit der Partei und der örtlichen Sowjets unter den Bauern gegründet worden. Gegen Ende des Bürgerkriegs gab es 40.000 solche Lesehütten. Vgl. N. P. POSPELOW u. a.: Geschichte der KPdSU, Bd. III, 2. Buch, a. a. 0., S. 448

*95
Ebd., S. 292 - 299

*96
Vgl. insbesondere W. I. LENIN: Über das Genossenschaftswesen. I. - III. Werke Bd. 33, a. a. 0., S. 453 - 461

*97
Vgl. hierzu Gert MEYER, Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung.. .‚ a. a. 0., S. 73 - 76 und Ders., Studien a. a. 0., S. 264 - 302, 331, 338

*98
Vgl. ebd., S. 341 - 352

*99
Vgl. ebd., S. 276 - 288

*100
Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 159

*101
Vgl. hierzu Richard LORENZ: Die Sowjetunion, a. a. 0., S. 304 f. und Jean ELLEINSTEIN, a. a. 0., Bd. 2, S. 16. Zu den Kriterien für die Bestimmung der Kulaken vgl. auch Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 160 Anm.

*102
Vgl. Richard LORENZ: Das Ende der NOP, a. a. 0., S. 39; für die ersten Jahre der NEP waren mir keine entsprechenden Zahlen zugänglich. Gert MEYER: Studien a. a. 0., S. 289 ff. bringt jedoch aufschlußreiches statistisches Material über die Ausstattung der Bauernwirtschaften mit Saatfläche und Arbeitspferden für den Zeitraum 1920 - 1924.

*103
Zur Erinnerung: 1 Desjatine = 1,09 ha

*104
Gert MEYER: Studien a. a. 0., S. 289

*105
Zu den Ursachen und Folgen der agrarischen Überbevölkerung vgl. ebd.. S 365 - 381; Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden des Ausmaßes der Überbevölkerung ebd., S. 375 - 380

*106
Zur regionalen Verteilung der Unterbeschäftigung vgl. Richard LORENZ: Die Sowjetunion, a. a. 0., S. 306 f.

*107
Ebd., S. 308

*108
W. I. LENIN: Referat über die Ersetzung der Ablieferungspflicht Werke Bd. 32, S. 222

*109
Am 10. 12. 1921 wurden alle Unternehmen, die bis zu 10 Arbeiter beschäftigten, reprivatisiert. Seit dem 7. 7. 1921 konnte jedermann die Errichtung von Gewerbebetrieben bis zu 20 Arbeitern beantragen. Vgl. Hans RAUPACH, a. a. 0., S. 54

*110
Im Dezember 1921 wurden die letzten Beschränkungen des freien Handels aufgehoben. Vgl. Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 135

*111
Vgl. TROCKIJS Thesen über die Organisierung der Industrie, die vom XII. Parteitag der KPR(B) als Resolution angenommen wurden, in: Kommunisticeskaja Partija Sovetskogo Sojuza v Rezoljucijach i Relenijach Szezdov, Konferencija i Plenuxn9v CK (1918 - 1970). Tom vtoroj: 1917 - 1924; Moskva 1970 8, S. 410; eine Übersetzung der Thesen findet sich in der Internationalen Presse-Korrespondenz (Inprekorr), 3. Jg. (1923), S. 636 - 641, die jedoch etliche Ungenauigkeiten aufweist. So ist etwa S. 641 die 12. These über die Privilegien der Spezialisten in der Produktion ohne entsprechende Kenntlichmachung weggelassen; vgl. hierzu KPSS v Rezoljucijach a. a. 0., S. 427

*112
Vgl. Richard LORENZ: Das Ende der NÖP, a. a. 0., S. 18

*113
Gert MEYER: Studien..., a. a. 0., S. 212. Zur Entwicklung der Produktion und der Zahl der Beschäftigten in Leicht- und Schwerindustrie vgl. ebd., S. 209 f.

*114
Ebd., S. 220. Zum Prozeß der Vertrustung vgl. ebd., S. 215 - 220

*115
Zur sozialen Herkunft des leitenden Trustpersonals vgl. ebd., S. 219. LENIN beklagte mehrfach die fehlende Fähigkeit und Bereitschaft insbesondere der langjährigen Parteimitglieder, sich mit dem Handel und den Marktgesetzen zu beschäftigen, etwa Werke Bd. 33, S. 85 - 89, 277 - 285, 427

*116
Vgl. Maurice DOBB, a. a. 0., S. 158 ff.

*117
Hans RAUPACH, a. a. 0., S. 51. Zur Entwicklung des Privathandels zwischen 1921 und 1923 vgl. Gert MEYER: Studien ...‚ a. a. 0., S. 440 - 450

*118
Lev TROCKIJ: Doklad o promylennosti, in Dvenadcatyj Scezd RKP(b). 17- 25 aprelja 1923 g. Stenografleskij ojt. Moskva 1968. S. 309 - 352. Diagramm S. 321. Ein von STRUMILIN entwickeltes Diagramm, das den Zeitraum bis März 1924 umfaßt und die Wiederannäherung der Scherenenden zeigt, findet sich bei Maurice DOBB, a. a. 0., S. 164; vgl. auch Kap. 5. 2. dieser Arbeit.

*119
Diese "spiegelte sich besonders deutlich in den Austauschrelationen zwischen Roggen, dem wichtigsten von den Bauern verkauften Produkt, und Kattun, dem im Dorf am meisten gefragten Manufakturprodukt": 1913 war 1 Arin (= 71 cm) Kattun 4,33 Pfund Roggenmehl wert, im Oktober 1923 30,4 Pfund. Gert MEYER: Studien ‚a a O., S. 244

*120
Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 141

*121
Gert MEYER: Studien. . .‚ a. a. 0., S. 414

*122
Traditionelle Form der Hausindustrie, die den Bauern als Nebenerwerbsmöglichkeit diente. Vgl. Valentin GITERMANN: Geschichte Rußlands. 3 Bde. Frankfurt/M. 1945, 1952, 3. Bd., S. 83 f.

*123
Gert MEYER: Studien ...‚ a. a. 0., S. 418 f.

*124
Vgl. Maurice DOBB, a. a. 0., S. 168 f.

*125
Vgl. E. H. CARR: The Interregnum, a. a. 0., S. 19

*126
Ebd., S. 37

*127
Zur Diskussion über die Ursachen der Inflation vgl. Maurice DOBB, a. a. 0., S. 165 ff. Die Vermehrung der Papierrubel zwischen 1921 und 1924 (in Billionen "Verrechnungszeichen"):
Tabelle
Jahr Billionen
1.1.1921 1,3
1.4.1921 1,7
1.7.1921 2,3
1.10.1921 4,5
1.1.1922 17,5
1.4.1922 81,2
1.7.1922 3204
1.1.1923 1994,5
1.4.1923 4483
1.10.1923 22702
1.1.1924 178510
Am 3. 11. 1921 und am 24. 10. 1922 wurden die Geldscheine "denominiert", d.h. 1 Million alter "Verrechnungszeichen" entsprach zunächst 100 Rubel des Musters 1922 und später 1 Rubel des Musters 1923 (Karl ELSTER: Vom Rubel zum Tscherwonjez. Zur Geschichte der Sowjet-Währung. Jena 1930. S. 181 - 183). Hieraus sind die unterschiedlichen Zahlenangaben in der Literatur zu erklären (vgl. etwa Alec NOVE, a. a. 0., S. 91; E. H. CARR, a. a. 0., S. 39 und Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 145). Zur Entwertung des cervoncec vgl. Karl ELSTER, a. a. 0., S. 192. Die Entwertung des Papierrubels war noch weit stärker als aus obigen Zahlen hervorgeht, da 1923 ein immer größerer Teil der umlaufenden Geldmenge aus cervoncec bestand: 1. 1. 1923 3 %‚ 1. 7. 1923 37,1 %‚ 1. 12. 1923 75,8 % (Hans-Jürgen SERAPHIM: Die russische Währungsreform des Jahres 1924, Berlin 1925, S. 28).

*128
Zur Abnahme des prozentualen Anteils des Naturallohnes zwischen Januar 1922 und Oktober1923 vgl. Friedrich POLLOCK, a. a. 0., S. 145, Anm. 52

*129
Zu den Aufgaben der Gewerkschaften gehörte es, Reibungen und Konflikte zwischen den Arbeitern und staatlichen bzw. betrieblichen Institutionen auszuräumen und so Streiks zu verhindern. Vgl. G. SINOWJEW: Der Streik im Arbeiterstaate, in: Internationale Presse-Korrespondenz, 2. Jg. (1922), S. 189 f.

*130
Vgl. zu den Ursachen und der Verbreitung der Streiks in den verschiedenen Regionen der SU Gert MEYER: Studien..., a. a. 0., S. 393 - 402

*131
Ebd., S. 381 f., S. 383 f. finden sich folgende Zahlen zur Entwicklung der städtischen Arbeitslosigkeit:
Tabelle
Monat/Jahr in Moskva gesamt UdSSR
Jan. 1922 14.000 175.000
Juni 1922 34.000 -
Juli 1922 - 436.000
Okt. 1922 48.000 -
Jan. 1923 - 625.000
Mai 1923 100.000 -
Juli 1923 - 1.000.000
Sept 1923 125.000 -
Jan. 1924 - 1.240.000

*132
Zur berufsmäßigen Zusammensetzung der Arbeitslosen, den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und ihrer Verteilung vgl. ebd., S. 384 - 392

*133
Vgl. W. SAR.ABJANOW: Arbeitslosigkeit und Landwirtschaft in Rußland. in: Inprekorr 3. Jg. (1923), S. 1240 und Richard LORENZ: Das Ende der NÖP, a. a. 0., S. 34 ff.

*134
Vgl. Gert MEYER: Studien.. .‚ a. a. 0., S. 383. Noch in der am 24. 12. 1923 verabschiedeten Resolution des Politbüros des ZK der KPR(B) über die nächsten wirtschaftspolitischen Aufgaben der KPR(B) wurde das Problem der Arbeitslosigkeit nicht erwähnt. Selbst im Mai 1924, auf dem XIII. Parteitag der KPR(B), ging Zinov‘ev nur kurz in seinem Schlußwort zum politischen Bericht des ZK auf das Problem ein, für dessen Lösung er nur auf die "Entwicklung der produktiven Kräfte" und die "Hebung der Gesamtwirtschaft" verweisen konnte (Inprekorr, 4. Jg. (1924), S. 824. Die o. g. Resolution findet sich ebd., S. 44 - 49).

*135
Vgl. Gert MEYER: Studien.. .‚ a. a. 0., S. 190 ff.

*136
Vgl. hierzu auch E. H. CARR: Sozialismus in One Country, 1924 - 1926, 3 Vol., Harmondsworth 1970 - 1972, 1. Bd., S. 113 f.

*137
Isaac DEUTSCHER: Trotzki. Bd. II. Der unbewaffnete Prophet. 1921 - 1929. Stuttgart 1962, S. 21

*138
Zahl der Arbeiter in Industrie und Bergbau:(in Millionen)
Tabelle
Jahr Arbeiter insg.
1913 n,3
1917 3,6
1918 2,9
1919 1,4
1920 1,5
aus: E. G. GIMPELSON: Sovetskij rabocjklass, a. a. 0., S. 80

*139
139 Ebd., S. 87 f.

*140
Vgl. E. H. CARR: The Interregnum, a. a. 0., S. 16

*141
Vgl. Richard LORENZ: Das Ende der NÖP, a. a. 0., S. 33

*142
Vgl. E. H. CARR: The Interregnum, a. a. 0., S. 49

*143
Gert MEYER: Probleme der Neuen ökonomischen Politik im Spiegel der Erinnerungen von N. VALENTINOV (Vol‘skij), in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Bd. 22, N. F. 1974, H. 1, S. 68 - 87, und W. I. LENIN, Werke Bd. 33, S. 180

*144
Vgl. E. H. CARR: Socialism in One Country, a. a. 0., 1. Bd., S. 128 - 137

*145
Ders.: The Interregnum, a. a. 0., S. 49

*146
Vgl. W. I. LENIN: Referat über die Ersetzung der Ablieferungspflicht 15. 3. 1921, Werke Bd. 32, S. 228

*147
W. I. LENIN: Die NÖP und die Aufgaben der Ausschüsse für politisch-kulturelle Aufklärung, Werke Bd. 33, S. 46

*148
Eugen VARGA: Die Krise Rußlands und die Weltwirtschaftskrise, in: Inprekorr, 2. Jg. (1922), S. 498 ff., S. 499

*149
G. SINOWJEW: Der Streik im Arbeiterstaate. In: Inprekorr, 2. Jg. (1922), S. 189

*150
Vgl. etwa Leo TROTZKI: Terrorismus und Kommunismus, a. a. 0., S. 163

*151
Über die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften unter den Verhältnissen der NOP: Beschluß des ZK der KPR(B) vom 12. 1. 1922. In: W. I. LENIN, Werke Bd. 33, S. 169 - 181, 173

*152
Ebd., S. 174 - 178

*153
Ebd., S. 174. Zur Entwicklung der Gewerkschaften in den ersten Jahren der NEP vgl. E. H. CARR: The Bolshevik Revolution, a. a. 0., Bd. 2, S. 322 - 330. Nach der Einführung der freiwilligen Mitgliedschaft ging die Zahl der Mitglieder bis zum XII. Parteitag im April 1923 von 6 auf 4,8 Mill. zurück, wie Stalin in seinem Organisationsbericht ausführte (Inprekorr, 3. Ig. (1923), S. 626).


19. Lenins Konzeption der NEP

Im folgenden haben wir die letzten Texte von Lenin abgedruckt.(beziehungsweise download from www.marxists.org)
Die Artikel
"Über das Genossenschaftswesen"
"Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen"
"Lieber weniger, aber besser"
können als qualitativer Maßstab genommen werden, mit dem die nachfolgenden Diskussionen und Entwicklungen in der Sowjetunion beurteilt werden können.
Die drei Texte stellen den Schlußstrich der Auseinandersetzung Lenins mit der realen und höchst widersprüchlichen Situation in der jungen Sowjetunion dar. Bevor Ihr in das Studium der Texte einsteigt, möchte ich meinerseits noch ein paar Anmerkungen machen, die den Kontext der Auseinandersetzung um die NEP erhellen. Es ist schon erstaunlich, welches Vermögen Lenin besessen hat, die reale Entwicklung der Widersprüche in der Sowjetunion einzuschätzen, in welchem Maße er bereit war, die eigene Politik einer schonungslosen Kritik zu unterziehen, Fehler offen einzugestehen, und mit welch kühnen, scheinbar pragmatischen Gedanken er Möglichkeiten entwickelt, die Widersprüche zu bearbeiten, die eigene Politik zu verbessern und Leitlinien zu geben.

I.
Vielerorts wird die NEP verstanden Dies ist eine eindeutige Verkürzung der leninschen Begründungszusammenhänge. Bereits auf dem 10. Parteitag im März 1921, formulierte Lenin an vielen Stellen den politischen Wesenskern der NEP:
"Genossen! Die Ersetzung der Ablieferungspflicht durch eine Steuer ist vor allem und am meisten eine politische Frage, denn der Kernpunkt dieser Frage besteht in dem Verhältnis der Arbeiterklasse zur Bauernschaft. Daß wir diese Frage aufwerfen, bedeutet, daß wir das Verhältnis dieser beiden Hauptklassen, durch deren Kampf gegeneinander oder durch deren Verständigung miteinander das Schicksal unserer ganzen Revolution entschieden wird, einer neuen oder, möchte ich sagen, vorsichtigeren ergänzenden Prüfung und einer gewissen Revision unterziehen müssen." (LW Bd. 32, S. 216)
Ein Jahr später, auf dem 11. Parteitag, wird Lenin noch deutlicher:
"Unser Schicksal ist, den neuen Zusammenschluß herzustellen, dem Bauern durch Taten zu beweisen, daß wir mit dem beginnen, was ihm verständlich, vertraut und heute bei all seiner Armut erreichbar ist, nicht aber mit etwas, was vom Standpunkt des Bauern fern und phantastisch ist. Unser Ziel ist, zu beweisen, daß wir ihm zu helfen verstehen, daß die Kommunisten dem verarmten, verelendeten, qualvoll hungernden Kleinbauern, der sich jetzt in einer schweren Lage befindet, sofort praktisch helfen. Entweder werden wir das beweisen, oder er wird uns zum Teufel jagen. Das ist völlig unausweichlich." (LW Bd. 33, S. 256)

II.
Sicherlich war die NEP eine Reaktion auf die Unruhen Anfang 1921. Sie war aber ebenso der Versuch, die Klassenkräfte in der jungen Sowjetunion angesichts der internationalen Entwicklung neu zu gruppieren. Dabei stand die SU vor zwei zentralen Problemkreisen:
  1. Die erhoffte internationale Revolution war ausgeblieben. Man konnte nicht damit rechnen, die Politik der Bolschewiki nicht auf diese Hoffung aufbauen. Andernfalls wäre man, wie Lenin im März 1921 formulierte, "einfach verrückt".
    "Deshalb müssen wir es verstehen, unsere Tätigkeit so mit den Klassenverhältnissen in unserem Land und in den anderen Ländern in Einklang zu bringen, daß wir auf lange Zeit imstande sind, die Diktatur des Proletariats zu behaupten und, wenn auch allmählich, alle die Nöte und Krisen zu hellen, die über uns hereinbrechen." (LW Bd. 32, S. 179; vgl. ebd., S. 217)
  2. Es gab in der Sowjetunion keine "blühende Großindustrie", die in der Lage gewesen wäre, die Bauern sofort mit Produkten und Waren zu versorgen. Deshalb, so Lenin im Dezember 1921 vor dem 9. Sowjetkongreß,
    "gibt es für die allmähliche Entwicklung eines mächtigen Bündnisses der Arbeiter und Bauern keinen anderen Weg als den Weg des Handels und der allmählichen Hebung der Landwirtschaft und Industrie über den gegenwärtigen Stand hinaus, unter der Leitung und Kontrolle des Arbeiterstaates - einen anderen Weg gibt es nicht." (LW Bd. 33, S. 141)
Letztendlich ging es darum, Diese Aufgabe erschien Lenin als zentrale strategische Frage, von deren Lösung das Schicksal der Revolution abhing. (vgl. LW Bd. 32, S. 184 f, 375 ff)

III.
Eng mit der Entwicklung der NEP verknüpft formulierte Lenin eine stetig schärfere Kritik am Bürokratismus. In den beiden hier abgedruckten Texten "Lieber weniger, aber besser" und zur Arbeiter- und Bauerninspektion ist diese Kritik sicher am pointiertesten formuliert, sie zieht sich aber durch fast alle seine Schriften und Reden seit Anfang 1921.
Ausführlicher befaßt sich Lenin in dem Text "Uber die Naturalsteuer" mit den Ursachen des Bürokratismus. Als ökonomische Wurzel des Bürokratismus sieht er folgendes:
"die Vereinzelung, Zersplitterung der Kleinproduzenten, ihre Armut und Kulturlosigkeit, die Wegelosigkeit, das Analphabetentum, der man gelde Umsatz zwischen Landwirtschaft und Industrie, das Fehlen einer Verbindung und einer Wechselwirkung zwischen ihnen." (LW Bd. 32, S. 365)
Die NEP in ihrem gesamten Begründungszusammenhang war auch eine Politik des Kampfes gegen den Bürokratismus.

IV.
Die strategischen Aufgaben der russischen Revolution, die Lenin ab 1921 formulierte, erforderten eine andere Politik der Bolschewiki als während des Bürgerkrieges. Vor allem auf dem 9. Sowjetkongreß, aber auch in vielen anderen Schriften und Reden, widmete sich Lenin dieser Frage.
Die politische Revolution und den Bürgerkrieg habe man im Sturmangriff, mit Enthusiasmus und Elan siegreich durchgeführt.
"Die politischen und militärischen Aufgaben konnten (damals -bs-)
  • auf der gegebenen Bewußtseinstufe der Arbeiter und Bauern durch einen Aufschwung des Enthusiasmus gelöst werden.
  • Sie alle verstanden, daß der imperialistische Krieg sie würgt;
  • um das zu verstehen, brauchten sie nicht eine neue Stufe des Bewußtseins,
  • eine neue Stufe der Organisation erklimmen.
  • Enthusiasmus, Angriffsgeist und Heldentum, ... halfen diese Aufgabe lösen.
Gerade damit haben wir unseren politischen und militärischen Erfolg errungen, aber dieser Vorzug wird jetzt zu unserem gefährlichsten Mangel. Wir blicken zurück und meinen, man könne auch die wirtschaftlichen Aufgaben auf diese Art lösen. Aber gerade darin liegt der Fehler:
  • Hat sich die Lage verändert und müssen wir Aufgaben anderer Art lösen,
  • so dürfen wir nicht zurückblicken und versuchen, sie mit Methoden von gestern zu lösen....
  • Entweder Sie lernen, in einem anderen Tempo zu arbeiten,
  • in dem Sie die Arbeit nach Jahrzehnten und nicht nach Monaten berechnen,
  • indem Sie sich an die Massen halten, die erschöpft und außerstande sind, die tägliche Arbeit in heroisch-revolutionärem Tempo zu leisten
  • - entweder Sie lernen das,
  • oder man wird Sie zu Recht als Gänse bezeichnen.
"
(LW Bd. 33, S. 157 f)
Mit dieser anderen Art des Herangehens war folgendes verknüpft: Soweit ein paar Anmerkungen zu den letzten Lenintexten, die Ihr nun gleich selbst studieren könnt. Falls Ihr Zeit und Lust habt, kann ich Euch nur empfehlen, den Band 33 von Lenins Werken insgesamt mal durchzulesen. Er ist eine wahre Fundgrube, aus der ich nur ein paar Zitate habe auswählen können. Schweren Herzens habe auswählen müssen, wohlwissend, daß es noch viele andere, sehr nachdenkenswerte Stellen und Passagen gibt.
Juni 1989 bs

20. Dokument 12 - 14: Lenin: Über das Genossenschaftswesen - Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen - Lieber weniger, aber besser

[alle drei Artikel aus: Lenin Werke Band 33 (LW Bd. 33)]
aus Platzgründen nicht hierher gestellt, download www.marxists.org


23. Die Entwicklung der NEP bis 1927 ´Scherenkrise´ und Debatte um die Sozialistische Wertschöpfung


Nach dem Scheitern des Kriegskommunisrnus stand die Frage, wie den Sozialismus aufbauen? Wie aber mit dem erwirtschafteten landwirtschaftlichen Mehrprodukt umgehen? Dieser Widerspruch bestimmte entscheidend die politischen Auseinandersetzungen in der KPR (ab 1921 KPdSU).

Im Herbst 1923 durchbrach die "Scherenkrise" (Trotzki) die Hoffnungen auf Konsolidierung. Die Sowjetwirtschaft stand vor dem Problem, Mitte 1924 hatte sich die wirtschaftliche Lage nach der Stabilisierung des Rubel vorübergehend beruhigt.
Diskussion um die sozialistische Wertschöpfung An dieser Diskussion beteiligten sich zahlreiche prominente Bolschewiki.
Die theoretisch stärksten und exponiertesten Beiträge wurden dabei geliefert von den Kontrahenten so müßten ähnliche Uberlegungen auch in der Sowjetunion angestellt werden.
"Auf jeden Fall ist die Vorstellung,
  • daß sich die sozialistische Wirtschaft aus sich heraus entwickeln kann,
  • ohne auf die Ressourcen der kleinbürgerlichen Wirtschaft (die bäuerliche eingeschlossen) zurückgreifen zu müssen,
ohne Zweifel eine reaktionäre, kleinbürgerliche Utopie."
So schlug er vor, formulierte sein Verbündeter Trotzki, dessen Position als "Diktatur der Industrie" angegriffen wurde.

Dagegen stellte Bucharin seinen Arbeiter- und Bauernblock. Wir haben diese theoretische Debatte im Anhang in der Darstellung von Maurice Dobb wiedergegeben, ergänzt um einer ausführlichere Würdigung der Position Bucharins, die der amerkanische Ökonom Alexander Erlich vornahm. Erlich*3 bewertete diese Debatte ausschließlich vom Interesse des Ökonomen her als einzigartig, vernachlässigte aber ihren politischen Kontext und den damit verbundenen erbitterten Kampf in der KPdSU. Von Interesse ist diese Debatte heute wieder, weil sie auf fortgeschrittener Stufe der Entwicklung der Produktivkräfte in der Sowjetunion neu belebt ist und weil dabei Nikolai I. Bucharin zum theoretischen Ziehvater der heutigen Perestroika erklärt wird.

Juni 1989 Bernd und hr.


Anmerkung:
*1
Der Text von Preobrashenski ist dokumentiert in "Die Linke Opposition in der Sowjetunion" , herausgegeben von Ulf Wolter, Band III. Die Dokumente der damaligen Kontroverse sind in den Bänden II und III im Wortlaut wiedergegeben

*2
Vergleiche in diesem Reader im Teil zur Landwirtschaftspolitik am Ende der NEP auch den letzten Text Bucharins zur wirtschaftspolitischen Debatte aus dem Jahr 1928, mit dem er seine Position ausführlich erläuterte: Bucharin, Bemerkungen eines Ökonomen.

*3
Nichtsdestotrotz ist das Buch von Erlich - die Industrialisierungsdebatte in der Sowjetunion 1924 - 1928 - ein nicht ganz leicht verdaulicher, aber lohnenswerter Einsteig in die damals die Diskussion beherrschenden Positionen.


24. Dokument 15: Heiko Haumann: Krisen der Neuen Okonomischen Politik 1923 - 1928

[aus: Gottfried Schramm (Hg.): Handbuch der Geschichte Rußlands, Stuttgart 1983. Band 3, S. 737 - 746]

In diesem Dokument ist die chronologische Strukturierung der drei ökonomischen Krisenformen (1922/23 Scherenkrise - 1924 Warenhungerkrise - Ende 1927 Getreidekrise)mittels kursivem Schriftzug versucht worden - mxks 2004

E. 5. KRISEN DER NEUEN ÖKONOMISCHEN POLITIK 1923 - 1928

Daß es der Neuen Ökonomischen Politik schnell gelang, die Wirtschaft wiederzubeleben, gab zunächst zu Optimismus Anlaß. Auf dem 11. Parteitag Ende März 1922 proklamierte Lenin das Ende des "Rückzuges": Andernfalls wäre man dem eigenen Anspruch, die Zukunft bewußt gestalten zu wollen, untreu geworden.
Doch schon bald entpuppte sich die verbreitete Hoffnung, nach Überwindung der wirtschaftlichen Talsohle werde es kontinuierlich aufwärts gehen, als Illusion. Daß diese Rechnung nicht aufging, verwies auf die unzureichende Planung und Koordinierung einer gesamtwirtschaftlichen Politik sowie auf eine Reihe nicht nur vorübergehender Mängel: Sehr schnell mußte man erkennen, daß die Wurzeln der im Herbst 1922 einsetzenden "Scheren-Krise" - die ihren Namen von den in der graphischen Darstellung scherenformig auseinander strebenden Industrie- und Agrarpreisindices erhielt - tiefer lagen*2 . Brachte die Inflation den Bauern bei der Steuerzahlung Vorteile, so trug sie doch auch zum Preisverfall bei. Der Widersinn dieser Entwicklung war offenkundig. Die russische Volkswirtschaft drohte zu zerfallen. Diese Erscheinung, wie sie schon - unter anderen Rahmenbedingungen - aus dem "Kriegskommunismus" bekannt war, wies auf fortbestehende, tiefer liegende Strukturprobleme hin.

Die Auswirkungen auf die staatliche Industrie ließen nicht lange auf sich warten. führten in manchen Branchen zu beträchtlichen Produktionsrückgängen. Das brachte häufig das Faß der Unzufriedenheit unter den Arbeitern, das sich ohnehin rasch gefüllt hatte, zum Überlaufen: Das Ergebnis: Sowjetrußland wurde von einer Streikwelle erfaßt, die nur mühsam wieder eingedämmt werden konnte.

Seit Oktober 1923 gelang es endlich, ein weiteres Auseinanderklaffen der "Preis-Schere" zu beenden. Die staatlichen Stellen hatten erkannt, daß namentlich die bäuerliche Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in eine politische Bedrohung des Sowjetstaates umschlagen konnte.

Ein entscheidendes Mittel zur Lösung der Krise war die längst überfällige Währungsreform. Während der Krise wurden die Nachteile für jedermann sichtbar. Im Sommer 1924 war die sowjetische Valuta stabilisiert*3 .

Mit aller Deutlichkeit offenbarte die "Scheren-Krise", entscheidende strukturelle Schwächen der sowjetischen Ökonomik ausmachten. Von ihrer Beseitigung hing es ab, ob die sozialistischen Zielvorstellungen verwirklicht werden konnten. Daß die preis- und währungspolitischen Maßnahmen bei der Behebung der Krise so rasch Erfolge zeitigten, erweckte den Anschein, als sei der Weg dorthin nicht mehr weit. Wer deshalb einen reibungslosen Aufwärtstrend erwartete, mußte sich allerdings schon bald eines Besseren belehren lassen: Die schon im nächsten Jahr (1925) auftretende "Warenhunger-Krise" legte die weiterexistierenden Strukturmängel offen.

Das Wirtschaftsjahr 1925/26 sollte der verheißungsvolle Auftakt zu einer neuen ökonomischen Phase sein. Als Lehre aus dieser Scheren-Krise, die 1924 noch durch - Bauernunruhen, vorab in Georgien, unterstrichen wurde, hatte man auch eine bewußt bauernfreundliche Politik — "Das Gesicht dem Dorfe zugewandt!" (licom k dererne) — betrieben: Bucharin, damals einer der einflußreichsten Politiker, rief den Bauern im April 1925 zu:
"Bereichert euch, entwickelt eure Wirtschaft und habt keine Angst, daß man euch bedrängt!" ()*4
Nicht alle begrüßten ihn so enthusiastisch wie Trockij: Aber unbestreitbar markierte das Erscheinen dieses Werkes "Die kleinen Kinder schreckte man damit", schrieb Groman, einer der führenden Planungsfachleute*6 .

Die tatsächlichen Ursachen lagen aber auf anderem Gebiet. Verbittert reagierten die Bauern auf den Versuch, die Ladenhüter doch noch loszuwerden: konnte aus dieser Situation Vorteil ziehen.

Auf diese Nutznießer schossen sich dann auch Partei- und Staatsorgane auf der Suche nach den Schuldigen für die Krise ein. mehrten sich die Stimmen, die eine energischere Bekämpfung der Kulaken forderten. In voller Absicht, so hieß es Wiederum gelang es verhältnismaßig rasch, durch preispolitische und organisatorische Maßnahmen die Lage zu stabilisieren. Als jedoch wenige Tage nach dem Parteitag einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, schlug die Stimmung um. Die dritte schwere Wirtschaftskrise in den zwanziger Jahren (Ende 1927), die "Getreide-Krise," Die Partei- und Wirtschaftsführung hatte zunächst das Ausmaß der Krise unterschätzt. forderte die Partei Anfang 1928 die lokalen Organe auf, mit allen Mitteln die Beschaffungsergebnisse zu steigern. Deren Vorbild wurden bald die "außerordentlichen Maßnahmen", die Stalin - wie die meisten leitenden Funktionäre aufs Land gereist, um die Kampagne voranzutreiben - Ende Januar/Anfang Februar in Sibirien anordnete. Der Erfolg schien dieser Politik rechtzugeben. Er währte indes nicht lange. Als das Zentralkomitee im April 1928 ankündigte: drohten bereits neue Schwierigkeiten. Daraufhin erhielten die lokalen Organe die Anweisung, wieder zu den gerade bewährten "außerordentlichen Maßnahmen" zu greifen. Diesmal blieb jedoch der Erfolg aus. Die ärmeren Bauern stellten sich jetzt überwiegend nicht mehr auf die Seite der Behörden: Diese Krise rührte aus ähnlichen Ursachen wie ihre Vorgängerinnen her. Verschärfend trat 1927 hinzu, Nachteilig wirkte sich ein weiteres Mal die staatliche Preispolitik aus: Dabei verhielten sich im Prinzip alle Bauern marktkonform: Indem man aber die Kulaken mit administrativen Mitteln wie unter Anwendung von Gewalt bekämpfte, weil man in ihnen personifiziert die Marktspontaneität treffen wollte, entzog man auch der bisherigen Förderung des Mittelbauern den Boden: Die sowjetische Wirtschaftspolitik stand an einem Scheideweg:


Anmerkung:
*1
LENIN: Werke. Bd. 33, S. 266.

*2
Graphik nach DOBB: Soviet Economic Developmenr (E 1, Anm. 1), 164. Eine spezielle Analyse bei GLINTZEL, Corinne Ann: Sovieg Agricultural Pricing Policv and the Scissors Crisis of 1922 - 23. Ph.D. Univ. of Illinois at Urbana-Champaign 1972. Zur Preisentwicklung und zum Handel hier und im folgenden außerdem MALAFEEV, A. N.: Ist orlja cenoobrazovantja r SSSR (1917 - 1963 gg.) [Geschichte der Preisbildung in der UdSSR (1917 - 1963)]. M. 1964, 28 - 97; VAJNTTEJN, Alb. L.: Ceny i cenoobrazovanie v SSSR v vosstanovitel‘nyj period 1921 - 1928 gg. [Preise und Preisbildung in der UdSSR während der Wiederherstellungsperiode 1921 – 1928].
M. 1972 BELYJ, P.F.: torgovlja vossstanovitel´nyj period (Der Handel zwischen den Republiken während der Wiederherstellungsperiode). In: Voprlst (1981) 6, 17 - 31.

*3
Vgl. außer der in Anm. 2 genannten Literatur POLLOCK, Friedrich: Die planwirtschaftlichen Versuche in der Sovjetunion 1917 - 1927. Frankfurt a. M. 1971 (Nachdruck der Ausgabe von 1929, eingeleitet von Renate Schmucker), 140 - 155;
MEYER: Studien (D 2 a, Anm. 9), 223 ff., 237 ff., 393 ff., 403 ff., 490 ff.;
MERL: Agrarmarkt (E 3, Anm. 3), 52 - 69, 86 - 90, 285 - 291.
Zu den Budget- und Währungsproblemen ELSTER Karl: Vom Rubel zum Tscherwonjez. Zur Geschichte der Sobvjet-Währung. Jena 1930;
DAVIES: Development (E1, Anm. 9), 49 - 84;
DJACENKO, V.P.: Istorija finansor SSSR (1917 – 19 gg.) (Geschichte der Finanzen der UdSSR (1917 - 1950)]. M. 1970, 116 - 124;
CYBULSKIJ, V.A.: Nep i deneznaja reforma 1922 - 1924 gg. (Die NEP und die Währungsreform 1922 - 1924). In: IstSSSR (1972)4, 114 - 127;
HEDTKAMP, Günter (unter Mitarbeit von Norbert Penkaitis): Das sovjetische Finanzsystem. Berlin 1974, Kapitel 1 und 2;
MANEVIC, V. E.: Razvitie (El ‚Anm. 9), 35 - 59;
DERS.: Problemy teorii deneznogo obraszenija v Sovjetskoje ekonomiceskoj literature 1917 - 1926 godor [Probleme der Theorie des Geldumlaufs in der sowjetischen Wirtschaftsliteratur 1917 - 1926]. M. 1979.
Zur Marktorientierung und zur Interdependenz der Wirtschaftsbereiche DOLAN, E.G.: Structural Interdependence ofthe Soviel Economy before the Industrialization Drive. In : SovStud 19 (1967) 66 - 73;
BANDERA, V.N.: Market Orientation of Stare Enterprises during AIEP. In: Ebda 22 (1970/71)110 - 121.
Zur Streikbewegung auch PLOGSTEDT, Sibylle: Arbeitskämpfe in der sovjetischen Industrie (1917 - 1933). Frankfurt-New York 1980, bes. Kapitel 3 ; Die Autorin versucht, die Streiks in einen größeren Zusammenhang zu stellen, vor allem Verhaltensweise und Bewußtsein der Arbeiter bedürfen aber noch weiterer gründlicher Untersuchung.
- Insgesamt sei erneut auf die früher zitierte übergreifende Literatur verwiesen (E 1, Anm. 1, E 2, Anm. 4).
Zu den parallel zu den ökonomischen Krisen stattfindenden innerparteilichen Kontroversen vgl. hier und im folgenden Abschnitt D 2b.

*4
Prawda, 24.4. 1925. Vgl. BUCHARIN, N.: Der Weg zum Sozialismus. Wien 1925 .50 - 51.
Zu den Bauernunruhen von 1924 vgl. TRIF0N0V, I.Ja.: Razgrom men‘sevistsko-kulackogo mjateza v Gru:ii v 1924 godu [Die Vernichtung des Aufruhrs von Menschewiki und Kulaken in Georgien 1924]. In: Voprlst (1976) 7, 41 - 55;
MEHL: Agrarmarkt (E3. Anm. 3), 40 - 49.

*5
Zitiert nach P0LL0CK: Planwirtschaftliche Versuche (Anm. 3), 255.

*6
Zitiert nach POLLOCK: Planwirtschaftliche Versuche (Anm. 3), 262. Zu VG. Groman vgl. JASNY: Soviet Economists (13 2a, Anm. 8), 89 - 123 und passim.

*2
7 Zur gesamten Entwicklung POLLOCK: Planwirtschaftliche Versuche (Anm. 3), 158—160, 167 - 170, 255 - 262;
GROSSKOPF: L‘alliance (E2. Anm.4), 119 - 326; MERL: Agrarmarkt (E3. Anm.3), 69 - 140, 291 - 312.
Zur Investitionspolitik DAVIES R.W.: Aspects of Soviet’ Intestment Policy in the 1920s. In: FEINSTEIN, C. H. (Hg.): Socialism, Capitalism and Economic Growth. Essays presented to Maurice Dobb. Cambridge 1967, 285 - 307.
Zur Industrieproduktion CERNOMORSKIJ, M. N.: Promyslennost‘ SSSR v pervye gody industrializacii (1926 – 1927 gg.) (Die Industrie der UdSSR in den ersten Jahren der Industrialisierung (1926 - 1927)]. In: Voprlst (1972) 1, 20 -33.
Vgl. VOSKRESENSKIJ, - Ju.V.: Perechod Konzmunisticeskoj partii k osuscestvleniju politiki socialisticeskoj industrializacii SSSR (1925 - 1927) [Der Übergang der Kommunistischen Partei zur Verwirklichung der Politik einer sozialistischen Industrialisierung der UdSSR (1925 -1927)].
M. 1969: KUZMIN, V.I.: V bor‘be socialiticeskuju rekonstr kciju 1926 - 1937: Ekonomiceskaja politika Sovjetkogo gosudarsira (Im Kampf für eine sozialistische Rekonstruktion 1926 - 1937. Die Wirtschaftspolitik des Sowjetsrates]. M. 1976.


25. Dokument 16: Edward Hallen Carr: Die Anfänge der Wirtschaftsplanung

[aus: ders.: Die Russische Revolution. Lenin und Stalin 1917 - 1929, Stuttgart 1980. S. 105 - 112]

Die Vorstellung, Durch das, was Lenin "die Dialektik der Geschichte" genannt hatte, Dieser Plan übte auf Lenin, der den Aphorismus prägte:
"Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes"
, eine besondere Faszination aus. Lenin zeigte jedoch zu diesem Zeitpunkt wenig Begeisterung für die laufenden Diskussionen über einen Generalplan, die er als "leeres Geschwätz und Kleinigkeitskrämerei" abtat. Die Frage eines umfassenden Gesamtplanes war umstritten. Aber eine Politik, Die Argumente der Planer Der bewußte und unbewußte Widerstand einer großen Zahl von Wirtschaft1ern der alten Schule war heftig und anhaltend.

Es war die "Scherenkrise" vom Herbst 1923 mit den von ihr bloßgelegten Unzulänglichkeiten der NEP, Die Parteikonferenz im Januar 1924, Erst im folgenden Jahre (1925) konnten sie gewisse Fortschritte erzielen: Eine neue Zeit war angebrochen. Die Frage war nicht mehr, Nachdem nun der Weg für einen neuen Aufbruch frei war, Auf einem ersten unionsweiten Planungskongreß wurden die Aufgaben der Gosplan in drei Sektoren geteilt Einen Monat später forderte das Zentralkomitee der Partei in einer Entschließung über die Industrialisierung Der "Generalplan" erwies sich als ein fruchtloses Unterfangen; An diesem Punkt trat innerhalb der Gosplan ein scharfer Meinungszwispalt Der Parteikongreß vom Dezember 1925 nahm ohne jede weitere Frage Anfangs machte niemand den Versuch, diese Themen allzusehr aufzurühren. Als Dsershinski, der Vorsitzende des Wesencha, im Juli 1926 mitten in einer scharfen Auseinandersetzung über das Tempo der Investitionen in der Industrie vom Tode ereilt wurde, erwies sich sein Nachfolger Kuibyschew als ein glühender Verfechter dessen, Was diese beiden Lager in der zweiten Hälfte des Jahres 1926 noch trennte, Die Kritik seitens der Opposition wurde jedoch zum Schweigen gebracht. Auf den Optimismus der letzten Monate des Jahres 1926 folgten die Sorgen des Frühjahrs und Sommers 1927, als es so aussah, als ob die Feindseligkeit des Westens die UdSSR mit Blockade oder Krieg bedrohe. Auf anderen Wirtschaftssektoren rührte die Planung nicht minder beunruhigende Probleme auf, denen man daher auch nur widerstrebend nähertrat. Auch von den Planern Diese Auseinandersetzungen drehten sich letzten Endes um die Frage,

26. Dokument 17: Maurice Dobb: Die Diskussion in den zwanziger Jahren über den Aufbau des Sozialismus

[aus: Probleme des Sozialismus und der Übergangsgesellschaften, Frankfurt 1973, S. 287-312]
(Auszüge) ist in Bearbeitung – antiquarisch leicht erhältlich


27. Dokument 18: Alexander Erlich über Bucharin: ´Bauern: Bereichert euch, akkumuliert, entwickelt eure Wirtschaft!´

[aus: Alexander Erlich: Die Industrialisierungsdebatte in der Sowjetunion 1924 - 1928, Frankfurt 1971, S. 23 - 43]
(Auszüge) ist in Bearbeitung


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