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Team Heilbronn
Thema Selbstbestimmte Nation oder die Misere der Linken ( )
Status Rohtext
Letzte Bearbeitung 09/2006
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1. Nation und Befreiung
2. Nationale Borniertheit als Problem der Arbeiterbewegung
2.1. Fehlende Programmatik
2.2. Kriege unterstützen
3. Internationale Produktion entgegen dem ideologischen Mittelalter der Linken

1. Nation und Befreiung

Die Frage, ob man nationale Befreiungsbewegungen unterstützen sollte ist ambivalent.
Einerseits ist es meist eine Verbesserung für die Menschen, die dadurch in parlamentarische Demokratie kommen. Andererseits bedeutet das Zerstörung der vorkapitalistischen Ökonomie und Integration in das Kapital. Letzterer Punkt kann einerseits relativ freie Subsistenz vernichten, wiewohl diese produktiv weit unterentwickelt sind. Aber ebenso werden feudale und andere auf direkter Repression beruhender vorkapitalistische Produktionsweisen transformiert.
Die Frage ist mit der Frage zu beantworten, was dies für die Klasse bringt. Ist die Lage derart, dass es von Vorteil wäre, diese oder jene Entwicklung zu unterstützen, oder ist es nicht viel besser, sich gleich auf das sich entwickelnde Proletariat zu beziehen.
Volksfront, Abwarten oder die Auswahl der Eskalationsstufe zur Revolution hin, sind wie immer in der Geschichte zu entscheiden. Dies kann nicht formal entschieden werden, da dies direkt von den konkreten historischen Bedingungen abhängt. Nur an ihnen kann erwogen werden, was möglicherweise im Sinne der internationalen Arbeiterklasse wäre.
Man sollte nationale Befreiung nicht mit einer proletarischen Befreiung verwechseln. Genauso würde man sich bei der Theologie der Befreiung als Befreiung von der Theologie täuschen. Die nationalen Bewegungen gerade in den 3. Welt-Ländern versuchen meist mit z.B. mit Verstaatlichung (siehe aktuell Morales) und einer Abschottungspolitik des nationalen Marktes, regionaler Verbünde wie dem Merconsur, die Entwicklung des eigenen nationalen Kapitals zu fördern, ehe man sich dem Weltmarkt überhaupt stellen kann.
Es sind nachholende Modernisierungen des nationalen Kapitals, die die Linke heute beklatscht. Selbstverständlich kann dieses Kapital dann seine positiven fortschrittlichen Tendenzen entfalten mit mehr Wohlstand für breitere Schichten und der Bildung bürgerlicher Verhältnisse, Alphabetisierung, Rechtstaatlichkeit usw.
All dies sind natürlich politische und gesellschaftliche Fortschritte. Ebenso erreicht man hierdurch eine teilweise Emanzipation vom Diktat der vorherrschenden Ökonomien (die G7-Staaten) und ihren Instrumenten wie Weltbank und Weltwährungsfond. Aber genauso entfaltet das aufstrebende nachwachsende nationale Kapital seine negativen Tendenzen, bei denen Fortschritt und folgende Verelendung nur zwei Seiten des selben Prozesses sind.
Was Linke darin sehen ist die Verrechtlichung der Verhältnisse, die sie um ihrer selbst willen begrüßen. Aber es gibt auch Strömungen, die an diesen Stellen einen Übergang zum Sozialismus vermuten oder gar das Vorglühen der Revolution.
 
[Nachholende Modernisierungen]

2. Nationale Borniertheit als Problem der Arbeiterbewegung

2.1. Fehlende Programmatik

Das Wichtige ist für Kommunisten Ausrichtung an der internationalen Lage, in der die eigene nationale Lage nur eine Besonderheit ist. Diese nationale Besonderheit wird hingegen und stillschweigend zumeist als das Allgemeine angesehen. Diese nationale Borniertheit ist bis jetzt eines der Hauptprobleme der Arbeiterbewegung des neuen Jahrtausends.
Die nationale Borniertheit verstellt nicht nur die Perspektive und die Notwendigkeit internationalen Planens und Handelns der Arbeiterklasse. Vielmehr gerät dies alles aus dem Blick und diese Fehlstelle wird stückweise mit nationalen Tellerrändern bis hin zur Aktivierung tief sitzender und angelernter nationaler Überheblichkeit, Ressentiments und Chauvinismus aufgefüllt.
Schaut man sich die aktuellen Programme der sich so nennenden kommunistischen Parteien an (aktuell z.B. das der DKP), dann sieht man das völlige Fehlen der internationalen Programmatik. Es finden sich immer schöne prinzipielle Sätze, die aber keine politisch praktische Relevanz haben.
Weder wird eine neue Internationale angestrebt, noch auch nur die notwendige internationale Zusammenarbeit im Programm jenseits der Formalia festgestellt.
Die Meinungen über den Staat sind mehrfach eine Katastrophe. Neben den oben beschriebenen Problemen wird auch dem neuen Schub der Entwicklung des Kapitals in seiner Internationalisierung nichts entsprechendes auf Seiten der Arbeiterbewegung entgegengestellt. Vielmehr wird der so genannten Globalisierung eine soziale Globalisierung als Ziel der Linken konstruiert. Dies trifft sich dann mit der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen mit seinem utopischen Legalismus, gleichfalls dem angestrebten Benutzen des Nationalstaates für die eigenen Zwecke als Ausfluss der bürgerlichen Utopie vom neutralen Staat.
 
[Utopie vom neutralen Staat und der moralischen Globalisierung]
Die große Liebe der Linken zu nationalen Befreiungsbewegungen rühren aus verschiedenen Quellen, die gleichzeitig die desolate Lage der Linken offenbaren.
  1. Das moralische Moment steht im Vordergrund mit all seinen Problemen, die man in Marx Kritik an Proudhon nachlesen kann ('Das Elend der Philosophie'). ... Das verläuft von NGO's bis hin zu fairem Handel oder lokalen "Währungen", der Idee von der lokalen Ökonomie.
  2. Statt international sich auszurichten, wird ein fremder Nationalismus unterstützt, gegen meist eine andere Nation - die USA. Man fühlt sich moralisch im Recht auf der Seite des Davids gegen Goliath, unterstützt die kleinen Nationen gegen die Großen. So dreht sich der Nationalismus und wendet sich, indem man sich einer anderen als der eigenen Nation verpflichtet fühlt. Aber dies alles führt nicht zu einem Internationalismus.
  3. Nur durch das vollständige Fehlen der 'Klasse' als politischer und programmatischer Wirklichkeit kommt das Internationale nicht sofort in den Blick. Denn das Proletariat IST eine internationale Klasse, wie auch die Kapitalisten. Fehlt aber die Klasse als Bezugspunkt, dann fehlt auch die ganze Schärfe und Analyse, die über ein Programm politisch wirksam werden könnten. So kommen Linke auf die Idee, die kleinen Kapitalisten, gegen die bösen großen und meist internationalen Kapitalisten in den Schutz nehmen zu müssen. Sie wollen so auch neue vermeintliche Verbündete gewinnen.
 
[Nationale Ersatzhandlung und das Fehlen der Klasse]
Es kommt so zu einer notwendigen Trennung in gutes und schlechtes Kapital, gute und schlechte Nationen, gute und schlechte Politik. Was gut ist und was schlecht, fließt aus der Geschichte oder den persönlichen Vorlieben.
 
[Gut und Schlecht als politische Kategorien]
Die für uns wesentliche Trennung in Kapital und Proletariat, Nation und Proletariat, Politik und wirkendem Klassenstandpunkt ist überhaupt nicht vorhanden.

2.2. Kriege unterstützen

Die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung 1918 rührte aus der fatalen Unterstützung der deutschen Sozialdemokratie für den ersten Weltkrieg. Dies wurde nicht zuletzt mit nationalistischen Phrasen begleitet ...
Heute kommt weniger die Verteidigung des Vaterlandes als solche in den Vordergrund. Aber "Deutschland wir auch am Hindukusch verteidigt". Wir müssen begreifen, dass wir prinzipiell vaterlandslose Gesellen sind.
Nicht zuletzt zeigt der Bielefelder Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen und die dortigen Zustimmung zum Jugoslawien-Krieg eine national Wende. Die früher als links geltenden Grünen schlagen sich im Namen von 'Nie wieder Auschwitz' und für Demokratie und Menschenrechte auf die andere Seite. Von der heutigen deutschen Sozialdemokratie ist nicht einmal der Schatten eines proletarischen Internationalismus geblieben, so wenig wie der Sozialismus als Wort im Parteiprogramm. Hier folgen die Ost-Sozialdemokraten PDS flugs nach.
Wenn Linke beginnen Kriege zu unterstützen, die von Nationalstaaten geführt werden, ihres eigenen oder auch anderer, dann kann man sicher sein, dass es wieder in eine Katastrophe führen wird. Die heutigen Argumente für einen Krieg, z.B. 'Menschenrechte', sind nicht wesentlich stichhaltiger als die 'Freiheit' oder die 'Bedrohung des Vaterlandes' vergangener Tage.
Wenn schon ehrlich gesagt wird, dass es um Rohstoffe geht, die man zu sichern gedenkt, dann ist das etwas, was dem normalen Kapitalkalkül unterliegt und nicht der Moral zugerechnet werden sollte.
Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen ist kleinbürgerlicher Natur und zeigt schlagend die Affirmation, d. h. den positiven Bezug auf Nation und Staat. Wenn dies von den starken Industrienationen gefordert wird, kann man sicher sein, dass es ihnen nutzt, Nationen zu zerschlagen ("Vielvölkergefängnis" Jugoslawien) oder mit farbigen (z.B. orange) "Revolutionen" genehme Regierungen zu installieren. Denn es ist offensichtlich: Wo es nichts zu holen gibt, wird auch außer Gutmenschen keiner eine "Nation" befreien wollen. Mit den Menschenrechten und der Demokratie ist es genau das selbe. Demokratieexport ist immer eine Sache von Installation genehmer nationaler Geschäftsführungen für den Abschluss und die Sicherung von Verträgen mit der Großwirtschaft der eingreifenden Nationen.
Aber dieses "Recht der Nationen" trifft sich wieder mit der von der Linken gewollten Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. Die UNO ist dann der utopische neutrale Schiedrichter, den eine Ebene tiefer angeblich die einzelnen nationalen Staaten gegenüber ihren Insassen spielen sollen.
 
[Selbstbestimmungsrecht der Nationen]
Schrien die Kreuzfahrer nach Befreiung der heiligen Stätten oder wurde der Un- oder Andersgläubige im Namen Gottes sanktioniert gemeuchelt, so passiert das heute aus ebenso edlen und plausiblen Motiven. Man schlägt die Moral auf seine Seite und den Gegner, so guten Gewissens, nieder. Aber selbst den einfachsten Gemütern ist die Hatz nach Rohstoffen und Einfluss nur zu ersichtlich unter dem zarten Zuckerguss der Demokratieverbreitung.
"Kein Blut für Öl" ist während des Golfkrieges mit sicherem Instinkt getroffen gewesen und sollte eigentlich heute jeden Tag als Losung auf den Straßen zu finden sein - ist es aber nicht. Liegt wohl daran, dass auch die Brennstoffrechnung der damals Demonstrierenden in die Höhe schnellt und ein Krieg dem Ganzen Abhilfe verspricht.
Demokratieverbreitung ist Einflussverbreitung, Freiheit ist Öffnung der Märkte für "unsere" Produkte, usw.. Ob es den Menschen - dann demokratisch - schlecht geht, dass ist doch dann wirklich deren Problem.

3. Internationale Produktion entgegen dem ideologischen Mittelalter der Linken

Nun haben wir uns mit der Idee vom Selbstbestimmungsrecht der Nation beschäftigt, einer der Lieblingsideen der Linken. Dabei sahen wir, wie die nationale Borniertheit und die damit verbundenen Utopien sie von der Reflexion des Kapitals und somit von seiner Aufhebung fern halten. Wenden wir uns jetzt kurz ein paar typisch linken Denk- und Argumentations-Schemata zu und entdecken im untergehenden Mittelalter die geistigen Wurzeln des linken Mainstreams.
Der angesprochene internationale Fokus ist besonders wichtig, wenn man die freie Assoziation der Produzenten im Kopf hat. Schon lange ist der Produktionsprozess der meisten Waren ein internationaler. Das Kapital als gesamtgesellschaftliches Verhältnis ist somit auch nur gesamtgesellschaftlich - also global aufzuheben. Wir müssen endlich die Perspektive und die Höhe der Entwicklung des Kapitals erreichen und reflektieren. Das Kapital ist schon in seinen Anfängen nur als (globales) gesellschaftliches Verhältnis existent und auch so zu denken und aufzuheben.
Dies aber liegt gar nicht im Wollen der Linken. Sie tun es ab als Utopie - die Weltrevolution. Sie erkennen nicht, dass ihr eigenes Verweilen in den heutigen Strukturen mit der Hoffnung auf reformerische Veränderung zum Besseren die Utopie ist. Ihr Ziel ist ein "gerechter Lohn", ein "gerechter Tausch", das Unterstützen der Kleinen gegen die Großen. Dabei bemerken sie nicht, dass die pure Existenz von Lohn, Tausch und Staat die Grundlagen der von ihnen empfundenen "Ungerechtigkeit" sind.
Ihr Projekt ist das moralische Mittelalter der kleinen Kommunen, regionalen Wirtschaftskreisläufe und zinsloser Geldwirtschaft. Die Moral Economie des Mittelalters mit seinen teils diktierten Preisen, damit jeder Brot bekam und der Beschränkung der Produktivität durch Zunftgesetze und das Verbot der Maschinen in der Produktion, also die beschnittene Herrschaft der Kleinproduzenten ist ihre rückwärtsgewandte Utopie. Das überschaubare Klein-Klein mit seiner menschelnden Nähe ist ihre Schablone.
Der Anspruch, den die städtischen Handwerker an ihre Zunft gestellt haben bremste den Kapitalismus. Um den Preis der Konservierung der alten Produktion, Vorschrift von Einkauf, Verkauf und Preisen, Festlegung von Gesellenanzahl wurde jedem Bürger in seinem Gewerk ein durchschnittliches Auskommen gesichert. Der moderne Staat, den die meisten Linken als klassenneutral begreifen, soll gleich der Zunft und Gewerbeordnung der Hebel sein, um mit Reformen den Sozialismus oder doch zumindest die groben Ungerechtigkeiten des realen Kapitalismus zu glätten.
 
[Luther als Stichwortgeber der Linken]
Ein weiteres Schema der Linken ist es, die Arbeit zu loben und damit "die Arbeitenden" fälschlicherweise in einen Topf werfen. Gleich ob es Arbeiter, Bauern oder kleine Handel- und Gewerbetreibende sind, werden sie eins gegen den "nicht arbeitenden" Zinsnehmer, Spekulanten und Finanzmenschen. Diese Linken stehen geistig und moralisch auf der Stufe des gegen den Zins fluchenden Luthers.
Sie wollen keine Klassen sehen, sondern nur "die Arbeitenden" und Ausgenommenen, die "kleinen Leute" halt, gegen die "nicht Arbeitenden" und sich bereichernden. Durch diese falsche Identifikation wird der Arbeiter mit seinem Chef, auch wenn es nur ein kleiner ist, in einen Topf, eine Schicksals- oder Volksgemeinschaft geworfen. Die falsche Front wird aufgemacht nicht gegen das Kapital als solches, sondern nur gegen das große und unverstandene Kapital.
 
[Arbeitende vs. Arbeiter]
Dem ist entgegenzuhalten (z.B. 'Das Kapital' Bd.I), das jedes Kapital ob groß ob klein Teil desselben nationalen Gesamtkapitals ist. So ist auch der kleine, sich selbst und seine Familie "ausbeutende" Kapitalist Teil seiner Klasse, auch wenn es ihm nicht bewusst ist und viele Linke dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen, da sie ihn als Verbündeten gegen die "transnationalen Konzerne" und das "Finanzkapital" benötigen. Aber, wenn man das Kapital beseitigen will als Produktionsverhältnis, kommt man nicht umhin, jeden seiner Teile abzuschaffen.
Dazu ist uns sicher jeder willkommen. Aber es bestehen berechtigte Zweifel, ob das Kleinbürgertum an der Abschaffung seiner Eigentumstitel mithelfen wird. Das kleine Privateigentum (die kleine Firma) ist ja schließlich das, worüber sie sich mit Leib und Seele definieren. Aber nur wenige Linke begreifen, dass es genau um die Abschaffung des Privateigentums, besonders an Produktionsmitteln, geht.
Mit Geld, Markt, Staat und Lohnarbeit sind übrigens alle gesellschaftlichen Formen benannt, welche das Selbstverständnis und Identität des Bürgers bilden und welche mit dem Kapital abgeschafft werden. Da die meisten Linken im rein positiven (z.B. Sozialdemokraten) wie auch negativen Bezug (z.B. viele Anarchisten) zu diesen Formen verharren, kann man sie auch als bürgerliche Strömung bestimmen.
 
[Bündnispartner Kleinbürger]
In dieser Preisklasse treiben sich auch die Jammerer nach einer sozialen Verantwortung des Eigentums herum. Traurige Gutmenschen mit ihren Utopien vom menschlichen Kapitalismus, jenseits jeder Reflexion über die Gesetzmäßigkeiten ihrer eigenen persönlichen Lohnarbeit. Diese Menschen führen Diskurse über eine "neue Bürgerlichkeit" weil sie spüren, dass es für alle enger wird, wenn der Standort wettbewerbsfähig bleiben soll.
Sie haben nur Appelle gegen die Massenentlassungen und nehmen sie als Naturgesetz hin. Zumindest darin sind sie realistisch, dass es die Gesetze (nicht des Marktes) sondern der Produktion von Kapital sind (inklusive des Marktes), die sie nicht verändern werden ohne das Kapital anzutasten. Das käme ihnen aber auch gar nicht in den moralischen Sinn. Denn sie Bekämpfen nicht das Privateigentum, sondern dessen ungerechte Verwendung. Auch an ihnen hätte Luther seine wahre Freude gehabt, natürlich nur wenn sie kein arbeitsscheues Pack sind.
 
[Soziale Verantwortung des Eigentums]
Das Lob der Arbeit, Arbeitsheroismus und die Konstruktion "der kleinen Leute" versteht sich nur als Verdecken der Klassen. Im Lob der Arbeit verschwindet, dass es hier nicht um Arbeit als solche, sondern Lohnarbeit, also ein Klassenverhältnis geht. Tatsächlich bin ich der Produktionsmittel enteignet. Darum bin ich gezwungen für andere zu arbeiten, denen das Produkt meiner Arbeit von vornherein gehört.
Lohnarbeit wird nicht als Zwangs- und Gewaltverhältnis begriffen, obwohl klar ist, wer im Vorstellungsgespräch am wesentlich längeren Hebel sitzt. Der Arbeitsvertrag ist die juristische Form des Zwangs- und Abhängigkeitsverhältnisses zwischen jedem Arbeiter und dem jeweiligen Kapitalisten. Damit drücken die Arbeitsverträge insgesamt einen Teil des Klassenverhältnisses aus, welches seinen Grund darin hat, dass nicht alle Produktionsmittel allen gehören.
Lohnarbeit ist für viele Linke ein notwendiges Übel. Das ist soweit richtig, aber eben nur im Kapitalismus. Die meisten Linken können sich ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen, es sei denn "selbstbestimmt" im eigenen kleinen Laden oder einer Kommune.
 
[Lob der (Lohn)Arbeit]
Mit dem Kapitalismus wird die Lohnarbeit verschwinden wie Markt, Geld und Staat. Aber selbstverständlich ("Kugelmannbrief" von Marx) wird die Arbeit nicht verschwinden, sondern nur ihre kapitalistische Form als Lohnarbeit. Die Arbeit als solche kann gar nicht verschwinden. Denn Arbeit ist als ziel- und zweckgerichteter Stoffwechsel des Menschen mit der Natur ('Das Kapital' Bd.I) gerade das, wodurch sich der Mensch von der Natur, z.B. der wabenbauenden Biene, unterscheidet ("Biene und Baumeister", 'Das Kapital' Bd.I).
 
[Abschaffung der Arbeit]
Aber wie es das Lob der Arbeit gibt beherbergt die Linke auch die Abschaffung der Arbeit. Die Arbeitsabschaffer fliehen sich in theoretische Höhen, die ihresgleichen suchen. Das tun sie nur, um zu zeigen, dass sie den Unterschied von Form Lohnarbeit (also Warenproduktion) und Inhalt, Reproduktion der Gesellschaft, nicht begriffen haben. (Darüber hinaus ist ihnen auch die Verwickeltheit der Kategorien Arbeit, Muße und Spiel - gerade in Bezug auf die Aufhebung der Lohnarbeit - unverständlich.)
 
[Lohnarbeit vs. Arbeit]
Spricht man sie dagegen direkt auf die Abschaffung der Arbeit an und wie das nun vor sich gehen soll mit der Organisation des täglichen Lebens mit der in "Tätigkeit" umbenannten Arbeit, dann wird es sehr dünn. Bestenfalls wird man mit dem Verweis abgespeist, dass die Menschen es dann schon wissen werden (was natürlich auch nicht so ganz falsch ist).
Zusammenfassend ist zu bemerken, dass die Linke auf die drängensten Fragen keine Antwort haben kann.
Es ist also endlich Zeit geworden, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass man sich vom größten Teil der Linken diesbezüglich verabschieden muss. Sie sind zu unterstützen wo es notwendig ist und gleichzeitig zu kritisieren wo ihre Borniertheit sie festhält.

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last update : Thu Nov 09 08:47:15 CET 2006 Heilbronn
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