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Team Truth Value
Thema Wissenschaftlicher Streit um die MODIFIZIERTEN DURCHSETZUNGSFORMEN DES WERTGESETZES AUF DEM WELTMARKT ( original )
Status Zeitraum 1970 - 1985
Letzte Bearbeitung 02/2005
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1. Zur Problemstellung der Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt
1.1. Marx/Engels zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt
1.2. Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit
2. Weltwährungskrise drängt nach 1965 Intelektuelle des Otto-Suhr-Instituts zum Schwerpunkt WELTMARKT
2.1. ´Weltmarkt und Weltwährungskrise´ - Broschüre der Bremer Gruppe Arbeiterpolitik Nobember 1971
2.2. ´Der Weltmarkt und die Weltwährungskrise´ - Einleitungstext der Prokla 1 (10/1971)
2.3. ´Weltmarkt und Reproduktion des Kapitals´ - Wolfgang Schoeller (EVA 1976)
3. Die Positionierung der Akademie der Wissenschaften der DDR zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt (bis 1984)
4. Über den Dimiurgen des Weltmarkt - Stepfan Krüger in Prokla 59 ´Weltmarktango´(6/1985)
5. ´Über die Kläglichkeit der Weltmarkttheorien´ - Elmar Altvater in Prokla 59 (6/1985)
6. ANHANG: Welche Aufgaben des Klassenkampfes sich die Redaktion der Zeitschrift ´Prokla´ setzte (Nr.1, 10/1971)

1. Zur Problemstellung der Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt

Die Zuspitzung der Weltwährungskrise Ende der 1960er Jahre führte 10 Jahre lang zu akademisch-marxistischen AUSEINANDERSETZUNGEN IN DER AUFASSUNG DER BEWEGUNG DES KAPITALS AUF DEM WELTMARKT. Die Kategorie Weltmarkt wurde von Marx unterbestimmt der Nachwelt hinterlassen und der theoretische Streit erwuchs u.a. kategorial um die GRUNDLEGENDEN AUFFASSSUNGEN ÜBER DIE MODIFIZIERTEN DURCHSETZUNGSFORMEN DES WERTGESETZES AUF DEM WELTMARKT:
vier unterschiedliche Positionen bzgl. der Wert- und Preisbildung der Weltmarktwaren wurden in die Debatte gebracht und der Kritik unterzogen: Über diese bis heute unausgefochtenen Positionen und daraus folgenden unbeantworteten Fragen wird im vorliegenden Kapitel 1. bis 4. ein skizzenhafter kritischer Überblick (im Unterschied zu einer gründlichen Kritik, welche nur kollektiv bzw. in Kooperation zu leisten wäre und über den damaligen Grad der Abstraktion bis an die Oberfläche der Weltmarkttotalität hinauszuweisen hätte) gegeben und in Punkt 2.1. das hierzu gehörige Kategoriengerüst des Weltmarkts mit der Bestimmung ´ungleichmässige Entwicklung´ als Schlüsselkategorie angerissen.

Die Kategorie WELTMARKT als Zirkulationsform von Waren verschiedener nationaler Kapitale umschliesst die Frage, wie die Preise dieser Waren zustande kommen und somit den Problemkomplex, wie sich das Wertgesetz auf dem Weltmarkt durchsetzt. Dass sich das Wertgesetz in der doppelten Bestimmtheit der Kategorie ´gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit´ zunächst im nationalen Rahmen durchsetzt wird im unten stehenden Punkt 1.2. skizziert.

1.1. Marx/Engels zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt

Wir fallen mit der Tür ins Haus und zitieren gleich jene Stellen bei Marx , die erklären, warum Waren beliebiger Sorte, erzeugt im Rahmen unterschiedlicher nationaler Kapitale, sich auf dem Weltmarkt in unterschiedlich hohen Preisen ausdrücken - von vielen als ungerecht und ausbeutend diffamiert - obgleich es sich wertmässig um Äquivalententausch handelt. Vorausgeschickt sei die Charakterisierung von Intensität und Produktivität der Arbeit als gesellschaftliche Grundlage des ungleichen Tauschs von Arbeitsquanta auf dem Weltmarkt.
  • Produktivität der Arbeit ist ein Attribut des konkreten Moments der Arbeit und somit des Arbeitsprozesses des Kapitals. Produktivität kennzeichnet die gesellschaftliche Kraft, mit der die Ak während der Arbeitszeit durch Verausgabung von Muskel und Hirn in spezifisch konkreten Tätigkeitsformen (Waren) zu produzieren vermag. Demgemäss bestimmt die Produktivität der Arbeit die Masse des Arbeitsprodukts und findet ihren (national unterschiedlichen spezifisch historisch wechselnden) gesellschaftlichen Durchschnitt in der unter gesellschaftlichen durchschnittlichen Produktionsbedingungen und mit durchschnittlichen Arbeitskräften erzeugten Warenmasse (in ihrer Bestimmung als Gebrauchswerte). Erhöhung der Produktivität der Arbeit bedeutet Steigerung der Gebrauchswertmassen im selben Arbeitszeitraum bei gleicher Wertmasse - also Senkung des Werts der einzelnen Ware.

  • Intensität der Arbeit ist ein Attribut des abstrakten Moments der Arbeit und somit des Verwertungsprozesses des Kapitals. Intensität kennzeichnet die Dichte, mit der die Poren der Arbeitszeit mit Verausgabung von Muskel und Hirn im physiologischen Sinne geschlossen sind. Demgemäss bestimmt die Intensität der Arbeit die Höhe des Wertprodukts und findet ihren (national unterschiedlichen spezifisch historisch wechselnden) gesellschaftlichen Durchschnitt in der unter gesellschaftlichen durchschnittlichen Produktionsbedingungen und mit durchschnittlichen Arbeitskräften erzeugten Wertmasse. Erhöhung der Intensität der Arbeit bedeutet Steigerung der Wertmassen im selben Arbeitszeitraum bei gleichzeitiger Steigerung der Gebrauchswertmassen - also gleichbleibendem Wert der einzelnen Ware.
 
[vorausschickend: über Produktivität Intensivität der gesellschaftlichen Arbeit]
  • die Ungleichzeitigkeit und die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der nationalen Gesamtkapitale produzieren auf dem Weltmarkt unterschiedliche Grade der Intensität der Arbeit
  • Es ist deshalb zu fragen, mit welchem Maß an Intensität die extensive Größe der auf dem Weltmarkt erscheinenden nationalen Arbeit gewichtet wird
Marx nimmt zu diesem Problem im 20. Kapitel des ersten Bandes des ‘Kapital‘ wie folgt Stellung:
"In jedem Lande gilt eine gewisse mittlere Intensität der Arbeit, unter welcher die Arbeit bei Produktion einer Ware mehr als die gesellschaftlich notwendige Zeit verbraucht und daher nicht als Arbeit von normaler Qualität zählt. Nur ein über den nationalen Rahmen sich erhebender Intensitätsgrad ändert in einem gegebenen Lande das Maß des Werts durch die bloße Dauer der Arbeitszeit.
Anders auf dem Weltmarkt, dessen integrierende Teile die einzelnen Länder sind. Die mittlere Intensität der Arbeit wechselt von Land zu Land, sie ist hier größer, dort kleiner. Diese nationalen Durchschnitte bilden also eine Stufenleiter, deren Maßeinheit die Durchschnittseinheit der universellen Arbeit ist. Verglichen mit der weniger intensiven, produziert also die intensivere Arbeit in gleicher Zeit mehr Wert, der sich in mehr Geld ausdrückt."
(Marx MEW 23, S. 584 f)
 
[über Intensivität der Arbeit und Wertbildung im nationalen Rahmen im Unterschied zur Stufenleiter universeller Arbeit auf dem Weltmarkt als Resultat ungleichmässiger kapitalistischer Entwicklung]
Die Ungleichmäßigkeit und Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung der nationalen Kapitale produziert
  • nicht nur eine Stufenleiter nationaler Intensitäten der Arbeit,
  • sondern auch eine Abfolge von nationalen Produktivitätsgraden:
"Noch mehr aber wird das Wertgesetz in seiner internationalen Anwendung dadurch modifiziert, daß auf dem Weltmarkt die produktivere nationale Arbeit ebenfalls als intensivere zählt, sooft die produktivere Nation nicht durch die Konkurrenz gezwungen wird, den Verkaufspreis ihrer Ware auf ihren Wert zu senken." (Marx MEW 23, S. 584)
 
[über Produktivität der Arbeit und Wertbildung im nationalen Rahmen im Unterschied zum Weltmarkt]

1.2. Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit

Um den Wert der Weltmarktwaren bestimmen zu können, gilt es, sich rückzuverwissern, wie denn der Wert der Waren seiner Ausdehnung nach überhaupt gesellschaftlich bestimmt ist, denn nicht erst heute besteht hier größte Konfusion. Hierzu ist das vorliegende Unterkapitel der nachfolgend behandelten Broschüre zum Weltmarkt original entnommen. Es dokumentiert das damalige grundlegende Verständnis der gesellschaftlichen Bestimmungen des Doppelcharakters der Ware - der Kategorie Wert in ihrer dialektischen Einheit mit der Kategorie Gebrauchswert - am Otto-Suhr-Institut Berlin - ein Verständnis, von dem die dort entsprungenden modernen Monetaristen um Michael Heinrich heute Lichtjahre entfernt sind. Gerade das hier betonte überhistorische Gesetz laufender proportionaler Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit auf alle Produktionszweige ist ihnen ein Gräuel. Gegen die Überwindung der "unsichtbaren Hand des Marktes" durch planvolle gesellschaftliche Übernahme dieser Aufgabe durch die assozierten Produzenten laufen alle professoralen fundamentalen Wert´Kritiker´ Sturm. Was auch sein Gutes hat, da die Restlinke so überhaupt mit der grundlegenden ökonomischen Problemstellung in Berührung kommt, die keine relevante gesellschaftliche Kraft sich als Losung bis heute je zu eigen gemacht hat.  [den Konfusionen über die Wertbestimmungen entgegentreten]

ORIGINALTEXT:
In der warenproduzierenden Gesellschaft (Bestimmungsmomente: Privatproduktion, Arbeitsteilung und Austausch) nimmt die gesellschaftliche Arbeit die Form des Wertes an. In der Wertform der Produkte spiegeln sich — wenn auch sachlich verhüllt — gesellschaftliche Beziehungen von Privatproduzenten wider. Der Wert, dessen Substanz die gesellschaftliche Arbeit ist, findet in der Arbeitszeit das Maß seiner Größe.

Da aber diese Arbeit unmittelbar als Privatarbeit geleistet wird, ihr gesellschaftlicher Charakter sich also erst post festum — im Austausch — zeigen kann, müssen die privat verausgabten Arbeitsquanta eine gesellschaftliche Bestimmung finden; diese ist eine doppelte:
  • a) nur das privat verausgabte Arbeitsquantum bewährt sich als gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit und zählt damit als Wert, das die Gebrauchswerte "mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit herstellt"(MEW 23, S. 53).
    Die privat verausgabten Arbeitsquanta zählen als gesellschaftlich notwendige Arbeit, wenn sie innerhalb einer Produktionssphäre sich als gesellschaftliche bewähren, d. h. dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte in dieser Sphäre entsprechen.

  • b) Die Funktion des Wertgesetzes in der warenproduzierenden Gesellschaft liegt aber nicht nur darin, hinter dem Rücken der Privatproduzenten durchzusetzen, daß die verausgabten Arbeitsquanta dem Stand der Entwicklung der Produktivkräfte in einer Sphäre entsprechen; es ist seine zweite Funktion zu gewährleisten, daß die von einer gesamten Produktionssphäre absorbierte gesellschaftliche Arbeitszeit den gesellschaftlichen Bedürfnissen entspricht:
 
[Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit ist Ausdruck doppelter Funktion des Wertgesetzes: 1. Funktion spezifische Durchschnittsbildung der Produktivkaft bezüglich der Herstellung einzelner Warensorte - 2. Funktion laufende Reduktion der von einer Produktionssphäre absorbierten gesellschaftlichen Arbeitszeit auf die entsprechenden gesellschaftlichen Bedürfnisse]
"Das Geschwätz über die Notwendigkeit, den Wertbegriff zu beweisen, beruht nur auf vollständiger Unwissenheit sowohl über die Sache, um die es sich handelt, als die Methode der Wissenschaft. Daß jede Nation verrecken würde, die, ich will nicht sagen, für ein Jahr, sondern für einige Wochen die Arbeit einstellte, weiß jedes Kind.
Ebenso weiß es, daß die den verschiedenen Bedürfnissen entsprechenden Massen von Produkten verschiedene und quantitativ bestimmte Massen der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erheischt. Daß diese Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit in bestimmte Proportionen durchaus nicht durch die bestimmte Form der gesellschaftlichen Produktion aufgehoben, sondern nur ihre Erscheinungsweise ändern kann, ist self-evident. Naturgesetze können überhaupt nicht aufgehoben werden. Was sich in historisch verschiedenen Zuständen ändern kann, ist nur die Form, worin jene Gesetze sich durchsetzen. Und die Form, worin sich diese proportionelle Verteilung der Arbeit durchsetzt, in einem Gesellschaftszustand, worin der Zusammenhang der gesellschaftlichen Arbeit sich als Privataustausch der individuellen Arbeitsprodukte geltend macht, ist eben der Tauschwert dieser Produkte."
(Karl Marx, Brief an Kugelmann, in: Karl Marx, Friedrich Engels, ´Briefe über ‘Das Kapital‘´, Berlin 1954, S. 185)
Diese proportionelle Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit über die Produktionssphären entspricht der zweiten Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit:
"Es versteht sich übrigens bei der ganzen Betrachtung von selbst: Es soll nicht geleugnet werden, daß in einzelnen Sphären überproduziert und darum in anderen zu wenig produziert werden kann; partielle Krisen also aus disproportionate production (die proportionate production ist aber immer nur das Resultat der disproportionte production auf Grundlage der Konkurrenz) entspringen können und eine allgemeine Form dieser disproportionate production mag Überproduktion von fixem oder andererseits von zirkulierendem Kapital sein. Wie es die Bestimmung für die Waren, daß sie zu ihrem Wert verkauft werden, daß nur die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit in ihnen enthalten, so für eine ganze Produktionssphäre des Kapitals, daß von der Gesamtarbeitszeit der Gesellschaft nur der notwendige Teil auf diese besondere Sphäre verwandt sei, nur die Arbeitszeit die zur Befriedigung des gesellschaftlichen Bedürfnisses (demand) erheischt. Wenn mehr, so mag zwar jede einzelne Ware nur die notwendige Arbeitszeit enthalten; die Summe enthält mehr als die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, ganz wie die einzelne Ware zwar Gebrauchswert hat, die Summe aber unter den gegebenen Voraussetzungen, einen Teil ihres Gebrauchswertes verliert." (Marx MEW 26.2., S. 516 ff)
Diese Interpretation des Wertgesetzes auf der Basis der doppelten Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit wird nicht von allen Marxisten geteilt. So leiten beispielsweise Ernest Mandel und Paul M. Sweezy die Basis des Wertes einseitig nur von der technisch bestimmten gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit ab. (in: Ernest Mandel, Marxistische Wirtschaftstheorie, Frankfurt/M., 1968, passim, Paul M. Sweezy, Theorie der kapitalistischen Entwicklung, Köln 1959, passim)

Diese einseitige und verkürzte Ableitung des Wertes, die den Gebrauchswert in seiner Bedeutung für die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit vernachlässigt, wird auch aus folgender Kritik Engels an Rodbertus deutlich:  
[Kritik, damals nicht nur an Mandel und Sweezy, (sondern heute an Modern Monetarists wie Heinrich et tutti und vor allem in deren Ausblendung der Gebrauchswertmassen für die Setzung des Marktwerts)]
"Hätte er untersucht, wodurch und wie die Arbeit Wert schafft und daher auch bestimmt und mißt, so kam er auf die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, — notwendig für das einzelne Produkt sowohl gegenüber anderen Produkten derselben Art, wie auch gegenüber dem gesellschaftlichen Gesamtbedarf." (Friedrich Engels, Vorrede zu Karl Marx ‘Elend der Philosophie´, zitiert nach Roman Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen ‘Kapital‘, Band l, S. 117)

{Mit diesen doppelten Bestimmungen der Kategorie gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit sowie der vorab Bestimmung des Doppelcharakters von Produktivität und Intensität der (gesellschaftlichen) Arbeit haben wir den gesellschaftlichen Boden substanziell gefasst, der uns ein Verständnis dessen erlaubt, was uns als Bewegungen der Warenpreise des Weltmarkts erscheint. Das Kategoriengerüst des Weltmarkts hierauf aufbauend zu erarbeiten, ist zwischen 1969 und 1976 zu einem Arbeitsschwerpunkt am Otto-Suhr-Institut Berlin geworden(d.V.)}


2. Weltwährungskrise drängt nach 1965 Intelektuelle des Otto-Suhr-Instituts zum Schwerpunkt WELTMARKT

Ein Teil der linksbürgerlichen Intelektuellen Westdeutschlands nutzen um 1970 die staatlich-stattlichen Ressourcen des Otto-Suhr-Instituts, um sich in Projektgruppen u.a. den aktuellen Krisenerscheinungen des kapitalistischen Weltmarkts kritisch zu stellen. Ein Teil von ihnen wiederum bilden den Kern der Gründung der Zeitschrift ´Prokla´. Daher hiess es in der Prokla Nr. 1 (10/1971) im Anschluss an ihren einleitenden kollektiven Arbeitstext ´Der Weltmarkt und die Weltwährungskrise´:
"In den PROBLEMEN DES KLASSENKAMPFES werden in unregelmäßigen Abständen Papiere vorgelegt, die in Projektgruppen am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin erarbeitet werden, in diesen Beiträgen sollen die offengelassenen Fragen weiterdiskutiert und die Auseinandersetzung etwa mit den Arbeiten von Amin, Emmanuel, Palloix und Bettelheim sowie mit der bürgerlichen Theorie (Theorie der komparativen Kosten, Theorien zum Zahlungsbilanzausglech usw.) vertieft werden."

2.1. ´Weltmarkt und Weltwährungskrise´ - Broschüre der Bremer Gruppe Arbeiterpolitik Nobember 1971

Roter Faden der Argumentationslinie der Broschüre:
  • die notwendig herzustellende Einheit von Produktion und Verwertung treibt das Kapital in seiner immanenten Tendenz zu schrankenlosen Akkumulation über den beschränkten Binnenmarkt zum Weltmarkt
  • somit verlagert das Kapital seine nationalen Reproduktionsschwierigkeiten nach aussen und auf den Weltmarkt
  • der Weltmarkt ist also Resultat des Kapitals als Bewegungs- und Lösungsformen seiner gesetzmässigen Tendenzen der Überproduktion
  • hierbei stellt der Zwang zur höchstmöglichen Verwertung des Kapitals ein zusätzlich eigenes Moment zur Herstellung des Weltmarkts dar
  • die Weltmarktkrisen müssen gefasst werden als die reale Zusammenfassung und gewaltsame Ausgleichung aller Widersprüche der bürgerlichen Ökonomie
 
[Der Weltmarkt als Bewegungsform der Gesetzmässigkeiten und Widersprüche kapitalistischer Produktionsweise]
Grundlage der Konkurrenzstellung der nationalen Gesamtkapitale auf dem Weltmarkt ist die ungleichmässige Entwicklung zwischen Unternehmen, Branchen und Regionen innerhalb einer Nation
  • der Weltkrisenmechanismus ist Ausdruck für die Begrenzheit des Weltmarkts als auflösende Bewegungsform kapitalistischer Widersprüche und setzt daher die nationalen Kapitale hier in scharfe Konkurrenz zu einander
  • die Konkurrenzstellung der einzelnen nationalen Gesamtkapitale ist Ausdruck der historisch spezifischen ungleichmässigen Entwicklung sich sukzessiv entfaltender nationaler Gesamtkapitale.
 
[Der Weltmarkt als Integration der UNGLEICHMÄSSIG ENTWICKELTEN nationalen Gesamtkapitale]
  • Grundlage für ihre Stellung im Konkurrenzgefüge am Weltmarkt ist die ungleichmässige Entwicklung ihrer jeweiligen materiellen Ausgangsbedingungen, fassbar als FAKTOREN der ungleichmässigen Entwicklung zwischen Unternehmen, Branchen und Regionen innerhalb einer Nation
    • die Höhe der Kostpreise (c + v) bei konkurrierenden Einzelkapitalen einer Produktionssphäre können aufgrund unterschiedlicher Verwertungsbedingungen variieren
      • Ökonomisierung des konstanten Kapitals
      • Produktionsausschuss
      • Grad der Konzentration und Zentralisation der jeweiligen Einzelkapitale
      • Bezugsquellen für c
    • bezüglich v eingekaufter Ware Arbeitskraft die Lohnhöhe/Ausbeutungsrate
    • unterschiedliche organische Zusammensetzung der Einzelkapitale
  • diese Faktoren bedingen unterschiedliche Konkurrenzbedingungen und damit Verwertungsbedingungen der Kapitale einer Branche, was sich schließlich in unterschiedlichen Akkumulationsraten und damit einer ungleichmäßigen Entwicklung zwischen Unternehmen einer Anlagesphäre des Kapitals niederschlägt
  • ungleichmäßige Entwicklung zwischen den verschiedenen Branchen einer Nation resultiert
    • im wesentlichen aus der unterschiedlichen organischen Zusammensetzung in den verschiedenen Anlagespären des Kapitals
    • und aus der sich verändernden Struktur des gesellschaftlichen Bedürfnisses, für das die einzelnen Sphären produzieren.
  • aufgrund technologischer Veränderungen wandelndes gesellschaftliches Bedürfnis (Erdöl statt Kohle) führt zu unterschiedlichen Akkumulationsbedingungen in den einzelnen Anlagensphären des Kapitals, zu der Unterscheidung
    • zwischen Wachstumsbranchen,
    • stagnierenden Branchen
    • und Branchen die sich in Strukturkrisen befinden
  • ungleichmäßige Entwicklung zwischen den Regionen einer Nation läßt sich im wesentlichen aus Standortfragen erklären, d.h. der unterschiedlichen Verfügung der einzelnen Regionalgebiete über Rohstoffe, Arbeitskräfte, Infrastruktur, Märkte, etc
 
[MATERIELLE Faktoren ungleichmässiger Entwicklung nationaler Kapitale]
  • Diese angeführten materiellen Faktoren, die unterschiedliche Verwertungsbedingungen der Kapitale
    • in einer Branche,
    • zwischen den Branchen und
    • zwischen Regionen bedingen,
  • produzieren eine Profitratenhierarchie, die in der permanenten Tendenz zur ungleichmäßigen Entwicklung mündet, weil die Kapitale mit höheren Profiten eine höhere Akkumulationsrate aufweisen. Zugleich zwei Gegentendenzen Richtung ausgleichender Profitraten:
    • Verallgemeinerung der Produktionsbedingungen: Zwangsgesetze der Konkurrenz treiben die Einzelkapitale einer Branche bei Strafe des Untergangs dazu, die Produktivkräfte permanent dem höchsten Stand in ihrer Anlagesphäre anzupassen; daher Verallgemeinerung der Akkumulationsbedingungen in der betreffenden Branche
    • die Tendenz des Kapitals, sich im höchstmöglichen Maße zu verwerten, wirkt der ungleichmässigen Entwicklung zwischen den Branchen einer Nation entgegen - samt Wanderungsbewegung der Kapitale in die Branchen mit den höchsten Profitraten - was in diesen Branchen Überproduktionstendenzen hervorruft und damit zum tendenziellen Sinken der Profitraten führt; umgekehrt umgekehrt. Diese Wanderungsbewegung der Kapitale, die im Prozeß eine allgemeine nationale Profitrate produziert, gleicht die Akkumulationsbedingungen zwischen den Branchen tendenziell aus und wirkt somit der ungleichmäßigen Entwicklung entgegen.
"Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es eine immanente Gesetzmäßigkeit der kapitalistischen Produktionsweise ist, einerseits die ungleichmäßige Entwicklung permanent zu produzieren, weil sich die genannten materiellen Faktoren, die die ungleichmäßige Entwicklung hervorrufen, stets auch neu reproduzieren, andererseits dieser Tendenz zur Ungleichmäßigkeit durch die Konkurrenz der Kapitale und den Prozeß zur allgemeinen Profitrate permanent entgegenzuwirken. Die Ungleichmäßigkeit und die Tendenz dieser entgegenzuwirken, lassen sich somit als Strukturmomente der kapitalistischen Produktionsweise ableiten."
 
[materielle Faktoren erzeugen Profitratenhierarchie nationaler Kapitale samt Gegentendenzen des Profitratenausgleichs]
  • MATERIELLE Faktoren für den nationalen Rahmen gelten gleicherweise für die Konkurrenzbeziehungen zwischen den nationalen Kapitalen und deren Akkumulationsbedingungen.

  • Während aber im nationalen Rahmen die Gesetzmäßigkeiten, die der ungleichmäßigen Entwicklung entgegenwirken, voll wirksam werden können, verschärft sich im internationalen Rahmen die ungleichmäßige Entwicklung dadurch, daß die entgegenwirkenden Faktoren nur begrenzt durchschlagen können:
    • nationaler Rahmen: Mobilität und damit Konkurrenz der Arbeitskräfte hin zur Angleichung der Arbeitslöhne und Arbeitsintensitäten hergestellt;
      internationaler Rahmen: trifft wegen der begrenzten Mobilität der Arbeitskräfte und des unterschiedlichen Standes der nationalen Klassenkämpfe nicht zu.
      im internationalen Rahmen ist deshalb eine Stufenleiter von nationalen Arbeitslöhnen und Intensitäten der Arbeit festzustellen

    • internationale Rahmen: die Wanderungsbewegung der Kapitale ist begrenzt, daher Akkumulationsbedingungen zwischen den nationalen Kapitalen nicht in dem Maße verallgemeinert wie im nationalen Rahmen.
      die Tendenz zur Weltdurchschnittsprofitrate ist eine äußerst begrenzte

    • Diese an sich schon brüchige Tendenz, der ungleichmäßigen Entwicklung im internationalen Rahmen entgegenzuwirken, wird noch durch mögliche Eingriffe des Nationalstaats unterstützt, wie z. B. durch Begrenzung der Niederlassungsrechte für Arbeitskräfte und Kapital, sowie durch Maßnahmen im Rahmen der Zoll- und Handelspolitik.
Zusätzlich zu diesen die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung zwischen den nationalen Kapitalen verschärfenden Faktoren sind noch historische und politische Gründe zu nennen:
  • die kapitalistische Produktionsweise entwickelte sich sukzessiv ungleichzeitig in verschiedenen Regionen der Welt

  • mit Folge, daß die weiter akkumulierten nationalen Kapitale, insbesondere England, eine Monopolstellung auf dem Weltmarkt einnahmen, und brachte andererseits die Möglichkeit zur kolonialen und imperialistischen Unterjochung vorkapitalistischer Gesellschaftsformationen mit sich.

  • Als weitere wichtige Faktoren, die die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung zwischen den nationalen Kapitalen verschärfen, sind Weltkriege, nationale Befreiungskriege und staatliche Organisationsformen zu nennen. Als Beispiele seien erwähnt:
      "
    • Der 30-jährige Krieg, aus dem die Zersplitterung des deutschen Reichs in Kleinstaaten hervorging; unterschiedliche allgemeine Rechtsvorschriften, unterschiedliche Steuergesetze, verschiedene Maße und Währungen und schließlich Zollbarrieren behinderten den Akkumulationsprozeß des deutschen Kapitals. Diese Situation änderte sich erst mit der Gründung des deutschen Zollvereins 1833/34.
    • Der Zusammenschluß der Vereinigten Staaten von Amerika, der dem amerikanischen Kapital lange Zeit die Möglichkeit zur Produktion für einen unbegrenzten Markt bot. Damit war die Basis für eine Konzentration und Zentralisation des Kapitals gegeben, die die Ausnutzung der Vorteile der Massenproduktion ermöglichte.
    • Der erste und zweite Weltkrieg, der entscheidend dazu beitrug, daß die USA Großbritannien von seiner führenden Stellung auf dem kapitalistischen Weltmarkt verdrängen konnten. Insbesondere dank der beiden Weltkriege wurden die USA zur führenden Welthandels- und Weltindustrienation und damit zum Finanzzentrum der kapitalistischen Welt.
    • "
"Konnten wir einerseits feststellen, daß der Tendenz zur ungleichmäßigen Entwicklung zwischen den nationalen Kapitalen nicht in dem Maße entgegengewirkt wird, wie im nationalen Rahmen durch den Fluß der Kapitale und der Arbeitskräfte, und daß andererseits diese Tendenz zur Ungleichmäßigkeit durch eine Reihe weiterer historischer und politischer Faktoren verschärft wird, so stellt sich die Frage, ob sich die kapitalistische Produktionsweise international in immer schärferem Ausmaße ungleichmäßig entwickelt. Diese Frage wird im folgenden Abschnitt über die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt geklärt werden."  
[Ungleichmäßige Entwicklung zwischen den nationalen Kapitalen - vor allem durch nationale Hemmungen der Gegentendenzen]


In folgenden 3 Abschnitt soll die Bedeutung der im vorangegangenen Teil entwickelten Kategorie der ungleichmäßigen Entwicklung für die Durchsetzung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt dargestellt werden.
  • In diesem Zusammenhang wird auch die oben aufgeworfene Frage geklärt werden, ob die Wirkungsweise des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt ähnlich wie im nationalen Rahmen der permanenten Tendenz der kapitalistischen Produktionsweise zur ungleichmäßigen Entwicklung entgegenwirkt.
  • Zur Klärung und Diskussion dieser Problematik ist es zunächst notwendig, die Wirkungsweise des Wertgesetzes im nationalen Rahmen abzuleiten.
 
[Ungleichmäßige Entwicklung und die Durchsetzung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt]
Durchsetzung des Wertgesetzes im nationalen Rahmen in den Formen
  • Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit
  • Marktwert und Marktpreis
 
[Wertgesetz im nationalen Rahmen]
Wurde in Punkt 1.2. vorgezogen und bezieht sich auf die polare Doppelbestimmung des Werts der Waren
  • nur das privat verausgabte Arbeitsquantum bewährt sich als gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit und zählt damit als Wert, das die Gebrauchswerte "mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität derArbeit herstellt"
  • die zweite Funktion des Wertgesetzes gewährleistet, dass die von einer gesamten Produktionssphäre absorbierte gesellschaftliche Arbeitszeit den gesellschaftlichen Bedürfnissen entspricht
 
[Doppelte Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit]
Auf der Grundlage der in doppelter Weise abgeleiteten Kategorie "gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit" kann jetzt eine Interpretation von Marktwert und Marktpreis vorgenommen werden. Im 10. Kapitel des 3. Bandes des Kapital leitet Marx die Kategorie Marktwert in ihrer doppelten Bestimmung ab:
  • Unter der Voraussetzung, daß die in einer Produktionssphäre aufgewendete Arbeitszeit dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach den in dieser Sphäre produzierten Waren entspricht,
  • wird der Marktwert durch die Produzenten in dieser Sphäre bestimmt, die das Hauptquantum an Waren zur Befriedigung des gesellschaftlichen Bedürfnisses produzieren, ihre Arbeitszeit bildet also die Basis für die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit.
    • im Regelfall sind dies die Produzenten mit gesellschaftlich durchschnittlichen Produktionsbedingungen
    • in Ausnahmefällen sind dies die Produzenten mit gesellschaftlich schlechtesten Produktionsbedingungen
    • in anderen Ausnahmefällen sind dies die Produzenten mit gesellschaftlich besten Produktionsbedingungen
  • wenn dann Nachfrage = Zufuhr, so wird die Ware in allen drei vorgenannten Fällen zu ihrem Marktwert = Marktpreis verkauft
  • wenn Nachfrage und Zufuhr auseinanderklaffen, dann weichen Marktpreis vom Marktwert und dessen Bewegungen ab:
    • wenn das zugeführte Quantum Waren zu klein ist, reguliert stets die unter den schlechtesten Bedingungen produzierte Ware den Marktwert
    • wenn zu groß, stets die unter den besten Bedingungen produzierte
    • dass also eines der Extreme den Marktwert bestimmt, trotzdem, daß nach dem bloßen Verhältnis der Massen, die unter den verschiedenen Bedingungen produziert sind, ein anderes Resultat stattfinden müßte

  • Ist bis jetzt die Bewegung der Marktwerte geklärt, bleibt noch das Schwanken der Marktpreise um die Marktwerte darzustellen:

  • Die Wertgröße der Ware drückt also ein notwendiges, ihrem Bildungsprozeß immanentes Verhältnis zur gesamtgesellschaftlichen Arbeitszeit aus
  • Mit der Verwandlung der Wertgröße in Preis erscheint dies notwendige Verhältnis als Austauschverhätnis einer Ware mit der außer ihr existierenden Geldware
  • In diesem Verhältnis kann sich aber ebensowohl die Wertgröße der Ware ausdrücken, als das Mehr oder Minder, worin sie unter gegebenen Umständen veräußerlich ist
  • Die Möglichkeit quantitativer Inkongruenz zwischen Preis und Wertgröße, oder das Abweichen des Preises von der Wertgröße, liegt in der Preisform selbst
  • Es ist dies kein Mangel dieser Form, sondern macht sie umgekehrt zur adäquaten Form einer Produktionsweise, worin sich die Regel nur als blindwirkendes Durchschnittsgesetz der Regellosigkeit durchsetzen kann

  • Da in der warenproduzierenden Gesellschaft die Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit auf die einzelnen Produktionssphären sich nicht planvoll vollzieht, sondern die Produktion sich an den Verwertungsinteressen der Privatproduzenten orientiert, produziert diese Gesellschaftsform eine permanente Inkongruenz von Produktion und gesellschaftlichem Bedarf, d.h. von Nachfrage und Zufuhr
  • Diese scheinbar regellose Bewegung ist die Ursache für das Schwanken der Marktpreise um die Marktwerte entsprechend der Inkongruenz von Angebot und Nachfrage
  • Marktpreise und Marktwerte drücken jeweils Durchschnittsgrößen aus
  • Nur wenn sich Nachfrage und Zufuhr decken, fallen Marktpreis und Marktwert zusammen und werden durch die durchschnittlichen Produktionsbedingungen in der betreffenden Sphäre bestimmt
  • Weichen Nachfrage und Zufuhr nur gering voneinander ab, dann schwankt der Marktpreis um das Gravitationszentrum Marktwert, wie es durch die massenhaften Produktionsbedingungen bestimmt ist

  • Weichen Nachfrage und Zufuhr in extremem Maße und längerfristig voneinander ab, dann schwanken die Marktpreise nicht wie üblich kurzfristig um den Marktwert, wie er durch die Produktionsbedingungen bestimmt ist; vielmehr verlagert sich — wie oben dargestellt — der Marktwert selber
  • Bleibt die Inkongruenz von Angebot und Nachfrage auch nach der Bewegung der Marktwerte an die Extreme bestehen, dann liegen die Marktpreise über oder unter dem durch die extremen Produktionsbedingungen bestimmten Marktwert
  • Ist diese längerfristige Inkongruenz durch den Fluß der Kapitale ausgeglichen, dann hat sich entsprechend den veränderten Produktionsbedingungen in der Sphäre ein neuer Marktwert als Osszillationszentrum der Marktpreise herausgebildet
 
[Marktwert und Marktpreis]
Wir haben gesehen, daß das Wertgesetz gesellschaftliche Beziehungen zwischen Privatproduzenten ausdrückt, wobei hier "gesellschaftlich" doppelt bestimmt war:
  • Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit war einerseits bestimmt durch den Stand der Entwicklung der Produktivkräfte in einer Produktionssphäre,
  • andererseits durch die den gesellschaftlichen Bedürfnissen proportional entsprechende Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit auf die einzelnen Produktionssphären

  • Je nachdem sich die Beziehungen zwischen den Privatproduzenten national oder international gestalten, ändert sich auch der Bezugsrahmen für die Bestimmung von gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit
  • Zur Bemessung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die Maß der Wertgröße einer Ware ist, muß jeweils betrachtet werden, ob die Privatproduzenten lokal, regional, national oder international in Austausch treten und insofern der Durchschnittsgrad an Intensität und Produktivität der Arbeit und die gesellschaftlichen Bedürfnisse lokal, regional, national oder international bestimmt sind.
 
[Wertgesetz auf dem Weltmarkt]
Im Verlaufe der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise hat sich im nationalen Rahmen
  • durch die Konkurrenz und Mobilität der Kapitale und der Arbeitskräfte eine weitgehende Tendenz zur Angleichung der Intensität der Arbeit herausgebildet
  • Deshalb wird die extensive Größe der Arbeit im nationalen Rahmen mit einem annähernd gleichen Verdichtungsgrad der Arbeit gewichtet.
  • Die mit mittlerer Intensität der Arbeit gewichtete Arbeitszeit bildet die Maßeinheit der Wertgröße, Arbeit mit geringerer Intensität in derselben Zeit verrichtet, verwertet sich geringer, nur Arbeit mit überdurchschnittlicher Intensität stellt sich in höheren Werten dar.
Die Ungleichzeitigkeit und die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung produzieren also auf dem Weltmarkt unterschiedliche Grade der Intensität der Arbeit. Es ist deshalb zu fragen, mit welchem Maß an Intensität die extensive Größe der auf dem Weltmarkt erscheinenden nationalen Arbeit gewichtet wird. Marx nimmt zu diesem Problem im 20. Kapitel des ersten Bandes des ‘Kapital‘ wie folgt Stellung:
"In jedem Lande gilt eine gewisse mittlere Intensität der Arbeit, unter welcher die Arbeit bei Produktion einer Ware mehr als die gesellschaftlich notwendige Zeit verbraucht und daher nicht als Arbeit von normaler Qualität zählt. Nur ein über den nationalen Rahmen sich erhebender Intensitätsgrad ändert in einem gegebenen Lande das Maß des Werts durch die bloße Dauer der Arbeitszeit.
Anders auf dem Weltmarkt, dessen integrierende Teile die einzelnen Länder sind. Die mittlere Intensität der Arbeit wechselt von Land zu Land, sie ist hier größer, dort kleiner. Diese nationalen Durchschnitte bilden also eine Stufenleiter, deren Maßeinheit die Durchschnittseinheit der universellen Arbeit ist. Verglichen mit der weniger intensiven, produziert also die intensivere Arbeit in gleicher Zeit mehr Wert, der sich in mehr Geld ausdrückt."
(Marx)
Die Ungleichmäßigkeit und Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung der nationalen Kapitale produziert nicht nur eine Stufenleiter nationaler Intensitäten der Arbeit, sondern auch eine Abfolge von nationalen Produktivitätsgraden:
"Noch mehr aber wird das Wertgesetz in seiner internationalen Anwendung dadurch modifiziert, daß auf dem Weltmarkt die produktivere nationale Arbeit ebenfalls als intensivere zählt, sooft die produktivere Nation nicht durch die Konkurrenz gezwungen wird, den Verkaufspreis ihrer Ware auf ihren Wert zu senken." (Marx)
 
[Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt - mittlere Intensität der Arbeit als die nationalen Durchschnitte bilden eine Stufenleiter, deren Maßeinheit die Durchschnittseinheit der universellen Arbeit ist]
Hier schliesst sich die Kritik am DDR-Ökonom Kohlmey an, hinter dessen Ableitung der Kategorie "internationaler Marktwert" sich die richtige Vermutung verbirgt, dass die Durchschnittseinheit der universellen Arbeit nicht in der Weise abstrakt gefaßt werden kann, daß jede nationale Arbeit auf dem Weltmarkt entsprechend der Stufenleiter der nationalen Arbeitsintensitäten und deren Durchschnitt gewichtet wird.
  • Es muß vielmehr dargestellt werden, wie sich die universelle Arbeit als Abstraktion vermittelt über den konkreten Prozeß der Konkurrenz der nationalen Kapitale durchsetzt.
  • Kohlmey arbeitet die internationale Wertgröße nur als Ergebnis der Konkurrenz der nationalen Kapitale in einer konkreten Produktionssphäre heraus, vernachlässigt dabei aber — wie aufgezeigt — die internationale Stufenleiter an Intensitäten der Arbeit, weil er die Bedeutung der Wechselkurse und der internationalen Geldwertänderungen für die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt offensichtlich übersieht.
  • Wechselkurs und internationale Geldwertänderungen — und dies genau übersieht Kohlmey — bilden bei der Herausbildung der internationalen Wertgröße den konkreten Vermittlungsprozeß zwischen der Abstraktion “universeller Arbeit“ und der branchenspezifischen Konkurrenz der nationalen Kapitale
 
[Kritik an Positionierung eines internationalen Marktwerts - diese verkennt Bedeutung der Wechselkurse und der internationalen Geldwertänderungen für die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt]
Der Regel nach: Die Nation des Vorsprungs an Produktivität und Intensität der Arbeit erzielt Exportüberschüsse, die Nachzügler müssen Defizite in ihrer Handelsbilanz hinnehmen hätten
  • Aufgrund unten noch darzustellender Mechanismen produziert diese Situation in jedem internationalen Währungssystem automatisch Veränderungen der Wechselkurse oder der Geldwerte der nationalen Währungen
  • Diese Änderungen bewirken, daß die nationale Arbeit desjenigen Landes, das die höchste Produktivität und Intensität der Arbeit im internationalen Vergleich aufweist über eine Aufwertung der Währung bzw. über einen Inflationsprozeß im Lande selber sich auf dem Weltmarkt in höheren Werten darstellt, als in der Ausgangssituation
  • Umgekehrt stellt sich die nationale Arbeit derjenigen Länder, deren Produktivität und Intensität der Arbeit unter der Durchschnittseinheit der universellen Arbeit liegt und die deshalb eine negative Handelsbilanz aufweisen, über eine Abwertung der Währungen oder über Deflationsprozesse in den Ländern selber auf dem Weltmarkt in niedrigeren Werten dar als in der Ausgangssituation
  • Über diese Wechselkurs- und Geldwertänderungen wird der nationalen Arbeit eines Landes ein ihrem Rangpunkt in der Stufenleiter der universellen Arbeit entsprechender Wert zugemessen, so daß insgesamt sich die Arbeit des produktiveren und intensiveren Landes in höheren Werten ausdrückt, während sich die Arbeit der Länder mit niedrigerer Produktivität und Intensität geringer verwertet.

  • Die durch diese Stufenleiter, vermittelt über den Wechselkurs, produzierte Abfolge von Wertgrößen nationaler Arbeit ist die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt
 
[ Stufenleiter der universellen Arbeit produziert mittels der Wechselkurse und der internationalen Geldwertänderungen Abfolge von Wertgrössen nationaler Arbeit - die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt]

{Mit der Ableitung des Kategoriengerüstes ´Weltmarkt´ bis zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt beenden wir die Auflistung. Die Teile zu Geld, Weltgeld, Zahlungsbilanz, Wechselkurs, Devisenmarkt, Dollarkrise, Interventionsinstrumente, sowie der historische Teil über die ungleichmäßige Entwicklung zwischen den USA, Westeuropa und Japan bis in die 60er Jahre ist wegen ihrer SYSTEMATIK empfehlenswert (siehe www.mxks.de unter Texte/Bibliothek)(d.V.)}



2.2. ´Der Weltmarkt und die Weltwährungskrise´ - Einleitungstext der Prokla 1 (10/1971)

Die Kategorie WELTMARKT wird für einen Teil der Intellektuellen am Otto-Suhr-Institut zum Forschungsschwerpunkt auf grund der gesellschaftlichen Bewegung - objektiv der sich zuspitzenden Weltwährungskrise ab 1965 als Oberflächenerscheinung und dem bourgeoisen Gegensteuern gegen rapiden Profitratenfall und den sich hieraus entfaltenden proletarischen Klassenkämpfen in Frankreich und Italien, subjektiv der kulturellen Rebellion des Studentenmilieus. Und erst nach einem ersten kollektiven Durchgang durch den Gegenstand mit dem einleitenden obigen Artikel der Prokla 1 sind sie imstande, in der Nachbemerkung unbeantwortete Fragen überhaupt aufzuwerfen. Dass diese bis heute unbeantwortet sind, beziehungsweise auf Stichhaltigkeit überhaupt nicht untersucht sind, ist Ausdruck der Auflösung jener kollektiven Zusammenhänge mit dem Niedergang der Studentenbewegung in den Sektenformen bis 1975 und dem Marsch der Intelligenzler durch die Institutionen zu mehr oder weniger links- bis rechtskonservativen gesellschaftlichen Ideologieproduzenten.

ORIGINAL:
"Nachbemerkung

Im vorliegenden Aufsatz wurde versucht, anhand der jüngsten Weltwährungskrise die Durchsetzung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt zu diskutieren. In diesem Beitrag wurde nicht der Anspruch erhoben, alle Aspekte der Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt zu entwickeln. Offen geblieben sind insbesondere folgende Fragen:
  1. Setzt sich, bzw. wie setzt sich auf dem Weltmarkt eine allgemeine Profitrate und wie setzt sich und mit welchen Konsequenzen der tendenzielle Fall der Profitrate durch?
  2. Welche Bedeutung haben die Kategorien Weltmarktwert und Weltmarktpreis und wie müssen sie entwickelt werden?
  3. Wie stellt sich die „Durchschnittseinheit der universellen Arbeit“ als Maßeinheit der internationalen Werte im realen Prozeß her?
  4. Wie stellt sich das Verhältnis von Monopol und Konkurrenz auf dem Weltmarkt dar?
  5. Gibt es angesichts der disproportionalen Entwicklung zwischen den nationalen Anlagesphären des Kapitals Abstufungen der Intensität der Arbeit innerhalb der Nationen? Welche Bedeutung hätte diese Stufenleiter für die Durchsetzung des Wertgesetzes im nationalen Rahmen?
  6. Wie wirkt sich die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt auf die in den Entwicklungsländern aus?
  7. Über welche Mechanismen verlagern sich nationale Reproduktionskrisen auf dem Weltmarkt? Unter welchen Bedingungen produzieren diese Verlagerungen ‚Weltmarktsungewitter´?
In den PROBLEMEN DES KLASSENKAMPFES werden in unregelmäßigen Abständen Papiere vorgelegt, die in Projektgruppen am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin erarbeitet werden, in diesen Beiträgen sollen die offengelassenen Fragen weiterdiskutiert und die Auseinandersetzung etwa mit den Arbeiten von Amin, Emmanuel, Palloix und Bettelheim sowie mit der bürgerlichen Theorie (Theorie der komparativen Kosten, Theorien zum Zahlungsbilanzausglech usw.) vertieft werden.

Bei der Bremer Gruppe Arbeiterpolitik wird im Oktober/November eine von Busch/Schöller/Seelow verfaßte Broschüre „Weltmarkt und Weltwährungskrise“ erscheinen, in der die im vorliegenden Artikel behandelte Problematik breiter, weil an Schulungszwecken orientiert, dargestellt wird."
 
[Der erste kollektive Durchgang ermöglichte mit dem Resultat erst das Aufwerfen weiterer Fragestellungen]

2.3. ´Weltmarkt und Reproduktion des Kapitals´ - Wolfgang Schoeller (EVA 1976)

Mit Schoellers Arbeit scheint der Schwerpunkt der Analyse des Weltmarkts am Otto-Suhr-Institut wenn nicht abgeschlossen, so doch der Zenit der Begriffsanstrengungen überschritten worden zu sein. Der nachfolgend gelistete und randnotierte fortlaufende Auszug aus der Einleitung umreisst das Arbeitsfeld des Verhältnisses von Weltmarkt und nationaler Kapitalreproduktion. Die benannte theoretische Problemstellung der unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der Durchsetzungsformen des Wertgesetzes am Weltmarkt ist bis heute ungeklärt.
"Die beiden ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg sind gekennzeichnet durch ein rasches wirtschaftliches Wachstum — insbesondere in Westeuropa —‚ durch anwachsende Kapital- und Warenströme, die sich vorwiegend auf die Industrienationen selbst konzentrierten, sowie durch das Entstehen eines hohen Grades der Weltmarktverflechtung auf der Grundlage einer Internationalisierung des produktiven Kapitals (vermittelt über die Direktinvestitionen). Jene Entwicklung schlug sich u. a. in einer relativen ökonomischen Verselbständigung der Industriestaaten gegenüber den Ländern der Dritten Welt nieder, deren Anteil am Welthandel in jenen Jahrzehnten stark zurückgegangen ist und die nur marginal an der Entwicklung der Produktivkräfte und der wirtschaftlichen Prosperität in den Industrienationen teilnehmen konnten. Seit Mitte der 60er Jahre können wir jedoch feststellen, daß sich in kapitalistischen Industriestaaten die Akkumulation verlangsamt, Stagnationstendenzen und Rezessionen sichtbar werden, und zyklische Krisen deutlich hervortreten. Angesichts dieser Phänomene, die auf eine allgemeine tiefergehende Überakkumulation des Kapitals hindeuten, scheint uns nicht allein die Annahme plausibel zu sein, daß jener Trend beschleunigter Akkumulation im Bereich der kapitalistischen Industrienationen nicht unbesehen auf die nächsten Jahre zu verlängern ist. Vielmehr muß gefragt werden, ob die langandauernden hohen Zuwachsraten bei der Akkumulation des Kapitals in den USA, Westeuropa und in Japan sowie die zahlreichen Formen internationaler Kooperation (OECD, IWF, GATT etc.) nicht selbst Ausdruck und charakteristisches Merkmal einer bestimmten Phase der Entwicklung des Kapitals nach dem Zweiten Weltkrieg sind, die mit den sich abzeichnenden Stagnationstendenzen von einem gegenläufigen Prozeß abgelöst wird, der durch das Hervortreten anderer Momente bestimmt ist."
 
[Die dynamische Akkumulationsphase des Kapitals zwischen 1945 bis 1965 als Entwicklung des Weltmarkts und der Übergang in die Stagnation]
"Sofern die in den letzten Jahren verstärkt hervortretenden Phänomene krisenhafter ökonomischer Entwicklung in den Industrienationen bereits Ausdruck einer solchen Wende in der Kapitalreproduktion der wichtigsten Industrienationen sind, kann unseres Erachtens auch angenommen werden, daß der jahrzehntelange Trend zur Konzentration der Kapital- und Warenströme auf Westeuropa, die USA und Japan sich nicht ungebrochen fortsetzen wird und daß darüber hinaus auch die Dritte Welt möglicherweise für anlagesuchende und brachliegende Kapitale der Industrienationen zunehmend an Bedeutung gewinnen könnte. Die Analyse der Möglichkeiten, Formen und Bedingungen der Kapitalakkumulation in den ökonomisch unterentwickelten Ländern ist demzufolge auch von Bedeutung für die Einschätzung des Kapitals in den Industrienationen, für die Tendenzen der Internationalisierung der Produktion und die internationale Verlagerung bestimmter Industriezweige. D. h. eine eventuell mögliche anhaltende industrielle Entwicklung in der Dritten Welt dürfte wiederum Konsequenzen der sozioökonomischen Entwicklung in den Industrienationen selbst nach sich ziehen. Bei den zahlreichen Versuchen, einige der angesprochenen Entwicklungstendenzen im kapitalistischen Weltmarkt zu analysieren und deren inneren theoretischen Zusammenhang herzustellen, haben sich mittlerweile z. T. kontroverse methodische und theoretische Differenzen herausgebildet."
 
[Hypothese über die Tendenzen der Internationalisierung der Produktion als Verlagerung der Industrie auch in Entwicklungsländer]
"In diesen kontroversen Positionen drücken sich nicht allein die Schwierigkeiten aus, die Wertbewegungen zu analysieren, die sich hinter der Preisbewegung der Weltmarktwaren verbergen, sondern auch die realen Phänomene auf der Grundlage der internationalen Anwendung des Wertgesetzes zu interpretieren, die auf der Grundlage des bislang ungekannten Ausmaßes der Weltmarktverflechtung — auf der Basis der Internationalisierung des produktiven Kapitals — entstanden sind."
 
[Methodische und theoretische Differenzen in den Theorien des Weltmarkts gründen in unterschiedlichen Auffassungen der konkreten Durchsetzungformen des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt]
"So kann im Rahmen dieser Diskussionen der theoretische Ansatz des sogenannten Werttransfers als vorherrschend angesehen werden; dieser Ansatz besteht in seinem Kern darin, das Verhältnis zwischen den Nationen mit unterschiedlich entwickelten Produktivkräften sowie der Industrienationen insgesamt gegenüber den Ländern der Dritten Welt über einen »Werttransfer« in der Form eines ungleichen Tausches zu bestimmen. Die Theoretiker, die sich diesem Ansatz zuordnen lassen, sind — bei Vernachlässigung zahlreicher Differenzen im Detail — der Auffassung, daß sich bereits im Prozeß der Preisbildung der Weltmarktwaren ein ständiger Werttransfer von den weniger produktiven zu den produktivsten nationalen Kapitalen vollzieht. Dies sei — so wird unterstellt — auch die primäre Ursache für den begrenzten Akkumulationsprozeß des Kapitals in der Dritten Welt und deren ökonomischer Unterentwicklung; vermittels jenes »Werttransfers« trage somit die Dritte Welt zur Kapitalakkumulation in den Industrienationen bei, bzw. werde die Entwicklung in den Industrienationen gleichsam durch die Unterentwicklung auf der anderen Seite bezahlt, die zudem als ein bleibendes Strukturmoment des kapitalistischen Weltmarkts angesehen wird, die innerhalb dieses Rahmens nicht aufgehoben werden könne — die sich allenfalls auf höherer technologischer Stufenleiter reproduziere."
 
[Häufigste Position; ´Werttransfer´ in die Nationen höherer Produktivität]
"Neben diesem Ansatz, die ökonomischen Beziehungen zwischen Nationen und Ländern unterschiedlich entwickelter Produktivkraft der Arbeit als ein Ausbeutungsverhältnis zu bestimmen, das über den ungleichen Tausch von Werten im Prozeß der Preisbildung auf dem Weltmarkt vermittelt ist, lassen sich weitere theoretische Versuche zur Analyse der Weltmarktbewegung des Kapitals anführen, die in der Wert- und Preisbildung der Weltmarktwaren eine »Modifikation des Wertgesetzes« sehen. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht die Frage, wie sich im Rahmen des Weltmarktzusammenhangs die gesellschaftlich notwendige Arbeit und damit die Wertgröße der Waren bestimmen lasse; da auf dem Weltmarkt eine Stufenleiter von Produktivität und Intensität der nationalen Arbeit besteht, ergibt sich daraus die Schwierigkeit, die jeweils in einer Weltmarktbranche geltende gesellschaftlich notwendige Arbeit anzugeben, bzw. die Vermittlungsschritte zwischen der national verausgabten Arbeit und dem Marktwert in der betreffenden Weltmarktbranche zu benennen. Im Unterschied zum Ansatz des »Werttransfers« in der Form eines ungleichen Tausches wird in den Beiträgen, die von einer modifizierten Wirkungsweise des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt ausgehen, das ökonomische Verhältnis zwischen unterschiedlich entwickelten Ländern nicht als eine Beziehung des ungleichen Tausches gesehen; vielmehr verlieren — so wird angenommen — die weniger produktiven Nationen Teile ihrer geleisteten Arbeitszeit für den Wertbildungsprozeß, da — analog dem nationalen Marktwert — auch international all die Arbeitszeit für die Wertbildung verlorengeht, die über das gesellschaftliche Bedürfnis hinaus verausgabt worden ist. Entsprechend der international bestimmten gesellschaftlich notwendigen Arbeit, die den internationalen Marktwert bilde, gehe somit die zu unterschiedlichen (technischen) Durchschnittsbedingungen verausgabte nationale Arbeitszeit in die internationale Wertbildung ein. Der Kern der verschiedenen theoretischen Positionen bei der Analyse des internationalen Zusammenhangs, wie er seit dem Zweiten Weltkrieg durch die Internationalisierung des produktiven Kapitals hergestellt worden ist, muß unseres Erachtens auf unterschiedliche und z. T. auch fehlerhafte Vorstellungen über den Wertbildungsprozeß selbst sowie dessen Vermittlung über die Kapitalreproduktion im Rahmen jenes internationalen Zusammenhangs zurückgeführt werden."
 
[Weitere Position: ´Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt´ in der Preisbildung der Weltmarktwaren]
"In Teil 1 dieser Arbeit werden wir uns deshalb eingehend mit der Frage der international vermittelten kapitalistischen Wertbildung auseinandersetzen, um den begrifflichen Rahmen zu entwickeln, innerhalb dessen unserer Ansicht nach der Prozeß der Weltmarktverflechtung auf der Grundlage der Internationalisierung des produktiven Kapitals analysiert werden kann — der in zunehmendem Ausmaß auch die ökonomisch unterentwickelten Länder einschließt. Bei dieser begrifflichen Interpretation der internationalen Anwendung des Wertgesetzes werden wir zeigen, daß der ungleiche Tausch im nationalen Rahmen wie auch zwischen ökonomisch unterschiedlich entwickelten Nationen auf eine Übergangsphase ausnehmend hoher Produktivkraft der Arbeit zurückgeführt werden kann, die jedoch durch die Konkurrenz der Kapitale tendenziell abgebaut wird; der ungleiche Tausch ist somit als ein durch die Produktivkraftentwicklung bedingtes abgeleitetes Phänomen anzusehen. Die Analyse der kapitalistischen Wertbildung und Akkumulation muß folglich die Bedingungen der Produktivkraftentwicklung selbst und damit der Wertbildung pro geleisteter Arbeitszeit zum Gegenstand haben. Die Beurteilung der Frage, welche Wertbewegung sich in den Weltmarktpreisen ausdrückt, erfordert es, die Bestimmung des kapitalistischen Wertbildungsprozesses der Weltmarktwaren selbst zu klären. Die oben von uns angesprochenen Theorien gehen hierbei — weitgehend unreflektiert bereits von der internationalen Wertbildung aus- Gerade darin liegt unseres Erachtens einer der hauptsächlichen Gründe der theoretischen und methodischen Differenzen bei der Analyse der Weltmarktbewegung des Kapitals. Wir werden deshalb in Teil 1 dieser Arbeit die Grundlage der Wertbildung der Weltmarktwaren durch den nationalen Rahmen oder durch den internationalen Zusammenhang als alternative theoretische Möglichkeiten herausarbeiten."
 
[Teil 1: Grundlage der Wertbildung der Weltmarktwaren durch den nationalen Rahmen oder durch den internationalen Zusammenhang?]
"In Teil 2 dieser Arbeit werden wir versuchen, diese alternative theoretisch denkbare Basis der Wertbildung durch den nationalen oder durch den internationalen Rahmen empirisch zu diskutieren. Wir werden zeigen, daß nicht allein theoretisch, sondern auch empirisch eine sich bereits international vollziehende Wertbildung kaum begründbar ist und daß stattdessen nach wie vor der nationale Rahmen als Grundlage der kapitalistischen Wertbildung der Weltmarktwaren angesehen werden muß — obwohl die Internationalisierung der Produktion ein bislang unerreichtes Ausmaß angenommen hat."
 
[Empirische Diskussion der alternativen theoretisch denkbaren Basis der Wertbildung durch den nationalen oder durch den internationalen Rahmen]
"Die Bestimmung dieses Verhältnisses zwischen Wertbildung, Kapitalreproduktion und Weltmarktzusammenhang erlaubt es uns sodann, in Teil 3 dieser Arbeit neuere Tendenzen in der Weltarbeitsteilung sowie allgemein Auswirkungen des Weltmarkts auf die nationale Kapitalreproduktion und auf die Bedingungen der kapitalistischen Wertbildung zu beziehen. Wir werden in diesem Teil zu begründen haben, daß von den nationalen Distributionsverhältnissen auszugehen ist, in denen sich die Kapitalreproduktion vollzieht, um die Phänomene der Internationalisierung der Produktion aus dem inneren theoretischen Zusammenhang der Akkumulation erklären zu können. Die Annahme einer bereits international sich vollziehenden Wertbildung verwirkt unseres Erachtens diese Möglichkeit der Analyse.
Dieser Prozeß der Internationalisierung der Produktion unter zunehmender Einbeziehung der Entwicklungsländer sowie die möglicherweise wachsende Bedeutung dieser Regionen für anlagesuchendes Kapital der Industrienationen wirft die Frage nach den Bedingungen der Produktivkraftentwicklung und der kapitalistischen Wertbildung in den heute unterentwickelten Ländern auf.
Wir werden deshalb in Teil 4 dieser Arbeit die Problematik diskutieren, aufgrund welcher Momente die Kapitalakkumulation in den ökonomisch unterentwickelten Ländern relativ blockiert zu sein scheint bzw. weshalb die Industrienationen sich gegenüber diesen Regionen immer noch in einer der »Übergangsphase« ausnehmend hoher Produktivkraft der Arbeit vergleichbaren Position befinden und die Entwicklungsländer bislang kaum in der Lage waren, durch die Entfaltung der eigenen Produktivkräfte jene »Übergangsphase« der Industrienationen abzubauen (womit zugleich auch das Phänomen des ungleichen Tausches beseitigt würde). Angesichts des Material- und Diskussionsstandes auf diesem Gebiet werden wir nur den Aspekt verfolgen, welche Auswirkungen die Reproduktionszusammenhänge dieser Regionen auf die kapitalistische Wertbildung haben und welche Kritik an weitverbreiteten theoretischen Positionen zur ökonomischen Unterentwicklung angebracht werden muß.
Insgesamt vertreten wir in diesem Teil 4 die Auffassung, daß die ökonomische Unterentwicklung als Ausdruck einer bestimmten historischen Phase der kapitalistischen Entwicklung anzusehen ist und daß kaum zu begründen ist, weshalb auf Dauer die »Entwicklung« die »Unterentwicklung« bedingen soll."
 
[Neuere Tendenzen in der Weltarbeitsteilung sowie allgemein Auswirkungen des Weltmarkts auf die nationale Kapitalreproduktion und auf die Bedingungen der kapitalistischen Wertbildung]

3. Die Positionierung der Akademie der Wissenschaften der DDR zur Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt (bis 1984)

Busch/Schöller/Seelow stossen sich in der bei der Bremer Gruppe Arbeiterpolitik im Oktober/November (1971) erschienenen Broschüre „Weltmarkt und Weltwährungskrise“ von der vorgelegten Position von G. Kohlmey ab (s. vorstehenden Punkt 2.1.). Sieht dieser die Wertbildung der Weltmarkttwaren durch den internationalen Rahmen bestimmt, so entwickeln sie - wie oben skizziert - den entsprechenden Gegenpol nationaler Bestimmtheit der Wertbildung der Weltmarktwaren. 1984 greift der Kohlmey Schüler H.-P. Krüger die bis 1976 am Otto-Suhr-Institut fortentwickelte und von Schoeller reformulierte Position (flach) polemisch auf.

ORIGINAL Busch/Schöller/Seelow 1971:
Der DDR-Ökonom G. Kohlmey, der wichtige Beiträge zur Diskussion über die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt geleistet hat, interpretiert die in Kap 1. zitierten zwei Passagen zur Intensität und Produktivität der Arbeit wie folgt:
"Die internationale Wertgröße bildet sich nicht auf der Basis des massenhaften vorherrschenden Intensitätsgrades, sondern auf der Basis des gewogenen Durchschnitts aller in Frage kommenden nationalen Intensitätsgrade. Das ist die erste Modifikation im Wirken des Wertgesetzes auf dem internationalen Markt." (Gunther Kohlmey, Karl Marx‘ Theorie von den internationalen Werten, in: Probleme der Politischen Ökonomie, Band 5, S. 44)
Analog zu seiner Interpretation der Stufenleiter der nationalen Intensität der Arbeit interpretiert Kohlmey obige Passage in Kap. 1. zur Produktivität der Arbeit folgendermaßen:
"Während die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit innerhalb der Staatsgrenzen von den massenhaften, gewöhnlichen Produktivitätsbedingungen bestimmt wird, gehen in den Bildungsprozeß der internationalen Marktwertgröße alle am internationalen Handel in der betreffenden Ware beteiligten nationalen Produktivitätsstufen ein, die internationale Wertgröße ist dann der gewogene Durchschnitt. Das ist die zweite Modifikation des Wertgesetzes auf den internationalen Märkten." (Kohlmey, S. ebda)
Entsprechend seinen beiden Interpretationen fasst Kohlmey die Herausbildung der internationalen Marktwertgröße als gewogenes arithmetisches Mittel aller dem Weltmarkt zugeführten Warenmassen.  
[Positionierung 1969: Herausbildung der internationalen Marktwertgröße als gewogenes arithmetisches Mittel aller dem Weltmarkt zugeführten Warenmassen]


1984 wird die Dissertation des Kohlmey Schülers Hans-Peter Krüger: ´Werte und Weltmarkt - Zur Bildung und Realisierung internationaler Werte´ im Akademie-Verlag Berlin veröffentlicht. Sowohl das Vorwort von Kohlmey als Krügers Arbeit sind trotz einiger Schleimspuren lesenswert wegen der systematischen ausführlichen Marxexegese. Krüger kritisiert das Bemühen aus dem Jahr 1976 von W. Schoeller, die "Grundlage der Wertbildung der Weltmarktwaren durch den nationalen Rahmen oder durch den internationalen Zusammenhang als alternative theoretische Möglichkeiten heraus(zu)arbeiten" (s. vorstehende Auszüge aus Schoellers Einleitung seines Buchs ´Weltmarkt und Reproduktion des Kapitals´ in Punkt 2.3.) Zugleich soll damit die ebenfalls in obiger Einleitung erwähnte Kritik von Schoeller an obiger Position von Kohlmey von 1969, dass die Wertbildung der Weltmarktwaren im internationalen Rahmen bestimmt wird, getroffen werden.
Wir finden Krügers Argumentationslinie in ihrer Allgemeinheit schlecht abstrakt und keineswegs überzeugend.

ORIGINAL H.-P. Krüger 1984:
"Schließlich zu Schoellers Ansicht, daß man je nach dem eingenommenen Standpunkt entweder Umverteilung konstatieren könne (sofern man die nationale Wertbildung als Basis des internationalen Austausches ansehe) oder — mit derselben Berechtigung — diese verneinen könne (sofern man die internationale Wertbildung als den Austausch regulierend betrachte). Wir halten sie für doppelt falsch.
  • Erstens. Die vereinzelte Arbeit erhält einen gesellschaftlichen Inhalt dadurch, daß ihr Resultat Gegenstand des Bedürfnisses anderer Produzenten, also dadurch, daß sie Glied einer Totalität gesellschaftlicher Arbeit ist. Inwieweit sie diesen gesellschaftlichen Inhalt hat, erweist sich im Austausch. Dieser zeigt den Grad der Entfaltung ihrer Gesellschaftlichkeit an; die Gesamtheit der Waren, gegen die das Produkt der vereinzelten Arbeit austauschbar ist, beschreibt den Kreis, innerhalb dessen die Arbeit sich als allgemeine bewährt. Der Umkreis, innerhalb dessen die Arbeit sich als allgemeine zu bewähren hat, ist andererseits die Entfaltungsstufe des Wertes, des der Bewährung der Arbeit des einzelnen als allgemeiner entspringenden Verhältnisses der Produzenten. Entwicklung des Austausches und Entfaltung des Wertes sind Ausdruck desselben Sachverhaltes — des Grades der Arbeitsteilung. Schoeller behauptet einerseits internationalen Austausch, andererseits als dessen Basis nationale Wertbildung. Er reißt damit Untrennbares auseinander. Der internationale Austausch wäre nach Schoeller also dadurch reguliert, wie sich die Arbeit eines Exporteurs als Glied nationaler Gesamtarbeit bewähre. Man braucht sich das nur für die Gebrauchswert produzierende Seite der Arbeit vorzustellen, die ja Voraussetzung der Wertbildung und -realisierung ist, um das Falsche dieses Standpunktes einzusehen. Tauscht man Waren aus, so ist man in Gesellschaft. Und in dieser Gesellschaft geht man — man mag es einsehen oder nicht — Verhältnisse ein, Wertverhältnisse. Schoellers Ansicht, der internationale Austausch vollziehe sich auf der Basis nationaler Wertbildung, gleicht dem Verhalten von Kindern, die meinen, allein zu sein, sobald sie die Augen schließen. Kein Wunder, daß er für die Behauptung, Marx sei seiner Ansicht gewesen, nicht ein einziges Zitat als Beweis anführen kann.

  • Zweitens. Wird international äquivalent ausgetauscht, so bedeutet das, daß gleiche Mengen Arbeit gleicher relativer Produktivität und Intensität ausgetauscht werden. Egal, ob man diesen Vorgang vom Standpunkt des international notwendigen Wirkungsgrades der Arbeit oder vom Standpunkt der Arbeit über- oder unterdurchschnittlichen Wirkungsgrades entsprechend nationalen Gegebenheiten sieht, in jedem Fall muß man das Gegebene und das Genommene von einheitlichem Standpunkt sehen und darf nicht innerhalb eines identischen Vorgangs (des Gebens und Nehmens in der Zirkulation) den Standpunkt wechseln. Genau das aber macht Schoeller, sofern er Umverteilungsprozesse konstatiert. Würde Schoeller sich die kleine Mühe machen, entweder das gegebene Quantum nationaler Arbeit auf die entsprechende Menge Arbeit international notwendigen Wirkungsgrades zu reduzieren oder aber das erhaltene Quantum Arbeit international notwendigen Wirkungsgrades auf die entsprechende Menge national durchschnittlichen Wirkungsgrades zu reduzieren, also hinsichtlich des Gegebenen und des Genommenen einen einheitlichen Standpunkt einnehmen, hätte er sich die große Mühe des Hin- und Herspringens zwischen zwei nicht miteinander zu vereinbarenden theoretischen Standpunkten erspart.
(S. 79f)"
 
[1984: Kritik an Position der nationalen Wertbildung als Basis des internationalen Austausches]

4. Über den Dimiurgen des Weltmarkt - Stepfan Krüger in Prokla 59 ´Weltmarktango´(6/1985)

Der nachstehende Textauszug ist dem Abschlußkapitel aus Stefan Krüger: ´Zur Krise der internationalen und nationalen Kreditverhältnisse - Tendenzen der Kapitalakkumulation´. Er ist zu dem Thema der Durchsetzung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt hinzugenommen, weil die Demiurgfunktion des Weltmarkthegemons belegt, dass die Stufenleiter der universellen Arbeit sich nicht bestimmt als Durchschnittsbildung eines internationalen Marktwerts, sondern sich in hierarchisch gestaffelten Marktpreisen der auf dem Weltmarkt angebotenen Waren ausdrückt; also die Argumentationslinie vom Otto-Suhr-Institut und nicht der Akademie der Wissenschaften der DDR belegt.

ORIGINALauszug aus:
3. Zusammenfassung der inneren Widersprüche der Kapitalakkumulation auf dem Weltmarkt
"Die Existenz einer Periode langfristig beschleunigter Kapitalakkumulation unterstellt in der Realität einen entwickelten internationalen Konjunktur- und Akkumulationszusammenhang zwischen mehreren, auf dem kapitalistischen Weltmarkt zusammenstoßenden entwickelten Nationalkapitalen. Historisch wie begrifflich ist die Existenz des gesellschaftlichen Gesamtkapitals als Nationalkapital mit kennzeichnenden Durchschnittsverhältnissen seiner Produktions- und Verwertungsbedingungen (allgemeine Rate des Mehrwerts, durchschnittliche Wertzusammensetzung des Kapitals, durchschnittliche Umschlagsbedingungen etc) Grundlage und Voraussetzung der Weltmarktbeziehungen des Kapitals; letztere werden mit der Etablierung des Regimes der ‘großen Industrie‘ auf eine qualitativ neue Stufe gehoben und als Resultat der kapitalistischen Akkumulation systematisch reproduziert."
 
[entwickelte nationale Gesamtkapitale als Bedingung des kapitalistischen Weltmarkts]
"Auf den Weltmärkten bildet sich eine Stufenleiter zwischen den verschiedenen Nationalkapitalen heraus, die auf die Rangfolge der resp. Nationalarbeiten, differenziert nach Qualität, Intensität und Produktivität derselben, kurz: auf den jeweiligen Entwicklungsgrad der kapitalistischen Produktionsweise im betreffenden Land gegründet ist. In dieser Rangfolge der verschiedenen und unterschiedlich entwickelten Nationalkapitale ist es jeweils die am höchsten entwickelte Nation, die eine Sonderstellung einnimmt: die entwickeltste kapitalistische Nation, deren gesamtwirtschaftliche Durchschnittscharakteristika ihrer gesellschaftlichen Gesamtarbeit sie an die Spitze der universellen Arbeit setzen und deren ökonomische Überlegenheit gegenüber den anderen kapitalistischen Konkurrenten quantitativ anhand ihrer Suprematie in den Welthandelsanteilen und den internationalen Kreditverhältnissen zum Ausdruck kommt, prägt das internationale ökonomische Geschehen und übergreift die einzelnen Reproduktions- und Akkumulationsprozesse der anderen kapitalistischen Nationen. Es findet hier ein Umschlag von Resultaten in Voraussetzungen statt: die Unterschiede im Entwicklungsgrad der verschiedenen nationalen Gesamtarbeiten, die sich als Resultate des unterschiedlichen Entwicklungsgrads der kapitalistischen Produktionsweise in den einzelnen Ländern ergeben und in der internationalen Stufenleiter der Nationalkapitale auf dem Weltmarkt erscheinen, werden in Gestalt des jeweils entwickeltsten und daher auf dem Weltmarkt dominierenden Nationalkapitals zur Voraussetzung für die nationalen Akkumulationsprozesse des Kapitals."
 
[auf dem Weltmarkt Bildung einer Stufenleiter der universellen Arbeit zwischen den verschiedenen Nationalkapitalen und der Sonderrolle des am Weitesten entwickelten nationalen Gesamtkapitals für die Akkumulation aller nationalen Gesamtkapitale]
"Die entwickeltste kapitalistische Nation ist nicht nur der Hegemon des internationalen Geschehens in ökonomischer und weiter politischer etc. Hinsicht, sondern — wie Marx dies treffend ausgedrückt hat — der Demiurg des bürgerlichen Kosmos. (MEW 7, S. 440) schlechthin: Dieser Demiurg konstituiert den internationalen ökonomischen Zusammenhang als Weltmarktzyklus und in der Abfolge dieser Weltmarktzyklen die langfristigen Entwicklungstendenzen der nationalen kapitalistischen Akkumulationsprozesse. Die Demiurgenrolle einer kapitalistischen Nation für die kapitalistische Weltwirtschaft ist qualitativ
  • auf den dortigen entwickeltsten Stand der Produktivkraft der lebendigen Arbeit gegründet,
  • der sich sowohl als Monopol an fortgeschrittenster Produktionstechnik oder als Monopol an bestimmten industriell erzeugten Waren zeigt

  • und quantitativ in der Dominanz dieser Nation im Welthandel manifest wird.

  • Gegründet auf diese Dominanz in den Handelsbeziehungen ist die Dominanz im Geldkapitalverkehr
  • der Weltmarktdemiurg wird zur internationalen Gläubigernation,
  • verfügt über die größten Währungsreserven — sei dies Gold oder seine eigne nationale Währung — die zur internationalen Reserve- und Leitwährung avanciert.
Gestützt auf diese internationale Hegemonieposition überträgt sich die nationale Konjunktur des Weltmarktdemiurgen über die internationale Verflechtung der Reproduktionsprozesse im Handel und der Kapitalbewegung auf die anderen kapitalistischen Metropolen, die die dominierende Konjunktur des Weltmarktdemiurgen in sekundärer oder tertiärer Form nachahmen: die Existenz des industriellen Zyklus des Weltmarktdemiurgen als Weltmarktzyklus enthält somit sowohl das Element der Konstitution der zyklischen Bewegung der nationalen Kapitalakkumulation als auch das Moment der Synchronisation der nationalen Konjunkturzyklen in sich."
 
[entwickeltste kapitalistische Nation prägt als Demiurg dem Weltmarkt ihren eigenen nationalen industriellen Krisenzyklus auf]
"Über die in den jeweiligen nationalen Konjunkturzyklen spielenden Ausgleichungsprozesse, die sich resultathaft in der Herausbildung jeweiliger nationaler Durchschnittsprofitraten für die Gesamtkapitale der Metropolen zusammenfassen, bilden sich in längerfristiger Perspektive die Entwicklungstendenzen der Kapitalakkumulation heraus: die Gesetze des internationalen Handels und weiter der internationalen Kapitalbewegung, die dem Ausgleich nationaler Zahlungsbilanzen unterliegen, bringen in längerfristigerer Entwicklungsperspektive, d.h. in der Abfolge mehrerer Konjunkturzyklen zugleich Angleichungstendenzen in den usprünglich verschiedenen nationalen Entwicklungsgraden der kapitalistischen Produktion und Akkumulation zustande, welche die internationale Stufenleiter der entwickelten Nationalkapitale gewissermaßen neu definieren und langfristig die ehemalige Monopolposition des Demiurgen untergraben. Diese internationalen Angleichungstendenzen, die zu einer allmählichen Verminderung der Unterschiede im Niveau der nationalen Durchschnittsprofitraten führen — Anhebung des Niveaus der Profitraten in den entwickelteren Nationen bzw. Verminderung der Progression ihres Falls, Beschleunigung der Tendenz zum Sinken der ehemals höheren nationalen Profitraten in den unterdurchschnittlich entwickelten kapitalistischen Nationen —‚ sind das Resultat der durch den Weltmarktzyklus modifizierten nationalen Konjunktur und insofern von den im nationalen Rahmen in und durch die zyklische Bewegung herausgesetzten Ausgleichungsprozessen der bestimmenden ökonomischen Variablen der kapitalistischen Reproduktionsprozesse zu unterscheiden."
 
[langfristige Angleichungstendenzen untergraben die Hegemoniestellung des jeweiligen Demiurgen des Weltmarkts]
"Diese durch nationale Ausgleichungsprozesse in mehreren aufeinander folgenden Zyklen durchgesetzten internationalen Angleichungen zwischen den verschiedenen kapitalistischen Metropolen markieren zugleich die Zusammenfassung der allgemeinen widersprüchlichen Bewegungsgesetze der Kapitalakkumulation auf dem Weltmarkt: langfristig wird die ursprünglich Stabilität gewährleistende Dominanz des Weltmarktdemiurgen unterhöhlt. Mit dem Verlust seiner führenden Position in den Welthandelsbeziehungen durch aufholende kapitalistische Konkurrenznationen entfällt auch sukzessive die realwirtschaftlich-reproduktive Basis seiner dominanten Stellung in den internationalen Finanz- und Kreditbeziehungen. Die Diskrepanz zwischen der reproduktiven Kapitalakkumulation und der international geprägten institutionell festgeschriebenen Akkumulation von Geldkapital erhält hierdurch neue Ausprägungen."

{Hieran schliesst St. Krüger den historischen Auf- und Abstieg Englands in der Rolle des Weltmarktdemiurgen und seine Verdrängung durch die USA und deren ökonomischen Abstieg seit den 1960 Jahren (eine Entwicklung, die sich seit 1990 im Konfrontationskurs politisch-militärischen Abenteurertum zwischen EUROland und den USA zuspitzt - eine Entwicklung, die nach der Vorstellung des bürgerlichern Ideologen von der illusionären ´Friedfertigkeit´ des Imperialismus und sozialer Stabilität im Innern in einer linear berechenbaren Ablösung der Demiurgenrolle der USA durch China bestehen würde.)(d.V.)}

 
[Zugleich wird hiermit die durch den Demiurg gewährleistete Stabilität des Weltmarkts unterhöhlt]

5. ´Über die Kläglichkeit der Weltmarkttheorien´ - Elmar Altvater in Prokla 59 (6/1985)

Die Prokla 59 ist betitelt mit ´Weltmarkttango´. Elmar Altvater: ´Die Kläglichkeit der Weltmarkttheorien - Eine Kritik nicht nur am Beitrag von Klaus Busch´ spannt den Bogen von den seit Mitte der 1960 Jahre kollektiven kategorialen Zugrifffversuchen auf die Totalität des Weltmarkts bis zu den individuell erarbeiteten Einzelfallanalysen in der ersten Hälfte der 1980 Jahre. Anlass für Altvaters Beitrag - jedenfalls für die Akzentsetzung - scheint die Tatsache zu sein, dass der alte Weggefährte der "Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt" Klaus Busch (einer der Autoren der Broschüre der Gruppe Arbeiterpolitik, s. oben Punkt 2.1.) Wallersteins Systemansatz des Weltmarkt 1985 mit einer theoretischen Waffe schlagen will, die sich als stumpf in ihrer dürren Abstraktion erweist gegen Phänomene der Weltmarktentwicklung, welche sich hin bis zum schroffen Gegensatz gegen jene allgemeine theoretische kategoriale Grundlage setzen. Z.B. die unüberblickbar wuchernden Vermittlungsformen des Weltgelds und Kreditüberbaus brauchen weitaus geschärftere Waffen der Kritik. Tatsächlich jedoch ist Klaus Busch der letzte Mohikaner jenes kollektiven Aufbruchs Ende der 1960, der kontinuierlich von 1971 bis 1985 zur Problemstellung Reproduktion des Kapitals und Weltmarkt publiziert. Ein isoliert übriggebliebener Indianer vermag nur den Grünspan der Waffe der Kritik wegzupolieren, schärfen kann sie nur ein sich neu organisierendes Kollektiv - welches nicht nur die in Punkt 2.2. aufgeworfenen Fragen bezüglich des Weltmarkts rekapituliert, sondern sich der Reproduktion der nationalen Gesamtkapitale sowie des Zusammenhangs beider zuwendet.
Mit Altvater schliesst der Überblick - seit 1985 ist "Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt" Anathema. Der Überblick rückt die Zentralität der "Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt" im Kategoriengerüst ´Weltmarkt´ - als Vermittlungsform nationaler Produktion und internationaler Zirkulation - ins Licht, um dann gewahr zu werden, dass erst hier die zu leistende Kategorienarbeit anfängt.

ORIGINALanfang E. Altvater: ´Die Kläglichkeit der Weltmarkttheorien - Eine Kritik nicht nur am Beitrag von Klaus Busch´
"Das Sein bestimmt das Bewußtsein? Sehr wohl, führt man sich den Zustand der Theorien über den Weltmarkt in dessen tiefster Krise nach 1945 vor Augen. Die Ansätze, die die 60er und 70er Jahre beherrschten, also die Dependenztheorie, die Dissoziationstheorie oder die Lehre von der modifizierten Wirkungsweise des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt haben sich allesamt vor der Macht der Krisenereignisse zurückgezogen und das Feld wieder den Außenhandelstheoretikern, den Währungsexperten oder Interdependenzanalytikern überlassen, die aber auch nicht so recht wissen, wie theoretisch mit den Phänomenen umzugehen sei, die so gar nicht ins Bild der »reinen« Theorie passen, schlimmer noch: eigentlich gar nicht sein dürften:
  • die Verschuldungskrise der Dritten Weit,
  • der starke Dollar-Kurs bei riesigen Außenhandelsdefiziten der USA,
  • erratische Schwankungen der Wechselkurse auf den Devisenmärkten
  • etc.
Was aber bleibt in einer solchermaßen verfahrenen Situation? Ein Rekurs der Theorie auf scheinbar sicheres Terrain: Die Analyse nicht mehr des allgewaltigen Weltmarktzusammenhangs, sondern von »Einzelfällen«, die der allgemeinen Weltmarkttheorie bislang Nüsse waren, die sie kaum knacken konnte:
  • die ostasiatischen Schwellenländer zum Beispiel, die — wie Menzel in seinem Aufsatz in diesem Heft der PROKLA unterstreicht — den Dependenzansatz zum Knirschen bringen.
  • Oder Brasilien, das trotz Verschuldungsknse eine sich selbst tragende importsubstituierende Industriestruktur hervorgebracht haben soll, wie Thomas Hurtienne meint.
  • Einzelfälle, doch Verunsicherungen des allgemeinen Paradigmas.
Und dennoch: Der Weltmarktkontext ist allenthalben präsent;
  • als Hegemoniekrise der USA;
  • die schon erwähnte Verschuldung der Länder der Dritten Welt, deren Auswirkungen auch in Europa zu spüren sind;
  • die Veränderung des institutionellen Rahmens in der Weltwirtschaft durch die Neubestimmung der Funktionen des IWF,
  • die Zunahme protektionistischer Tendenzen,
  • die Hungerkatastrophe in Afrika
  • etc.
Wie soll man diese Momente einer weltwirtschaftlichen Totalität denn noch in den Griff bekommen, wenn die großen Theorien abgedankt haben, die Analysen von Einzelfällen aber nur begrenzten Erklärungswert besitzen?
  • Da gibt es noch den Weltsystemansatz von Immanuel Wallerstein und anderen, der in der Tradition der Dependenztheorie den inneren widersprüchlichen Zusammenhang von Zentrum der kapitalistischen Metropolen und Peripherie betont.
  • Und da ist der Modifikationsansatz, den Klaus Busch im vorliegenden Aufsatz benutzt, um den einflußreichen Weltsystemansatz aufs Korn zu nehmen.
Berechtigt ist dieses Unterfangen und notwendig auch, wenn ein Ausweg aus dem Dilemma der Weltmarkttheorien zwischen kurz greifenden Einzelfallanalysen und aporetisch konstruierter Globalität in einem kollektiven Diskusssonsprozeß gefunden werden soll. Jedoch ist auch zu zeigen, daß die Kritik von Busch am Weltsystemansatz selbst einen falschen Weg aus dem Labyrinth der Ansätze nimmt und, ohne daß dies vom Kritiker bemerkt würde, zum Ausgangspunkt zurückkehrt, an dem die Kläglichkeit der Weltmarkttheorien konstatiert worden ist. "
 
[Rückblick auf ein Theorie-Trümmerfeld: die Untersuchung der Totalität des Weltmarktprozesses weicht der Analyse von Einzelphänomenen]
"Worum geht es in dieser Einmischung? Um eine Kritik an Busch‘s Kritik, nicht um den kritisierten Wallerstein zu retten — denn tatsächlich ist der Weltsystemansatz, wie er von Wallerstein entwickelt und von vielen anderen ziemlich gedankenlos übernommen worden ist, bei näherer Betrachtung platt wie die Erdscheibe vor der kopernikanischen Wende —, sondern um den Maßstab zu hinterfragen, an dem Busch meint, den Kritisierten messen zu können. Dieser Maßstab hat einen Namen, nämlich »Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt« und (daraus abgeleitet) »Schutzmechanismus der Wechselkursbewegung«. In einer Vielzahl von Aufsätzen hat Klaus Busch — wenn ich es richtig sehe — seit 1971 diese beiden Namen gepflegt, als ob sie im Cotta patentiert wären. Aber jeder Fischhändler weiß, daß selbst ein gut gesalzenes Faß Heringe nach einiger Zeit einen haut goüt entwickelt, auch wenn es gut gelagert wird. Und so ist es auch mit dem Modifikationsansatz. Grünspan hat er angesetzt und schön anzusehen ist er auch nicht mehr. "
 
[Problem der Aussagekraft dürrster Abstraktionen: hier die Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt]
"Indem von Klaus Busch vorgelegten Artikel wird das Theorem der Modifikation des Wertgesetzes zwar behandelt wie das Gespenst im Schrank, d.h. es wird an keiner Stelle vorgestellt, und ist doch immerwährend präsent. Nun soll dies kein Vorwurf sein, hat er doch, wie seine Eigenzitate im vorliegenden Text zeigen, diese Idee mehrfach ausgeführt, so daß auch Wallerstein sie hätte zur Kenntnis nehmen können, wie Busch an ihm kritisiert: »Er (nämlich Wallerstein) negiert dabei die spezifischen Momente der modifierten Wirkungsweise des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt ...« (Busch 1974, 46 ff.)«. Um diesem Vorwurf die Stichhaltigkeit von vornherein zu entziehen, sei aus der Arbeit von 1974 zitiert: Der Weltmarkt, so Busch, setzt sich »aus der Summe verschiedener, national voneinander abgegrenzter Zirkulationssphären zusammen. Während die Kapitale im nationalen Rahmen direkt, ohne staatliche Schranken miteinander konkurrieren, ist der internationale Konkurrenzkampf des Kapitals prinzipiell über nationale Schranken vermittelt, die sich im einfachsten Falle .. als Grenzpfähle der verschiedenen nationalen Zirkulationssphären, als Wechselkurse nämlich darstellen .. Welche Verlaufsform auch immer diese Währungsmechanismen annehmen mögen, sie führen in der Tendenz zu folgendem Ergebnis: Die Waren der höher entwickelten Nation erhalten über die Aufwertung der Währung ihres Landes oder die imponierte Inflation einen höheren internationalen Preisausdruck, während sich umgekehrt die Waren der weniger entwickelten Nation nach der Abwertung oder Deflation in niedrigeren internationalen Preisen darstellen« (Busch 1974, S. 38 f). "
 
[impliziter Ansatz der Kritik Buschs an Wallerstein Systemansatz: Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt]
"Tatsächlich, diese Basisidee strahlt wie Formaldehyd auch noch zehn Jahre später. Point d‘acces ist, im übrigen wie bei Wallerstein auch, das Verhältnis von nationalem Staat und internationalem Kapital. Ein richtig festgestellter Widerspruch wird freilich von Busch sogleich überhöht: 1974 schreibt er, daß die Kapitale im nationalen Rahmen ohne staatliche Schranken miteinander konkurrieren würden, während international die nationale Schranke der staatlichen Intervention wirke. 1985, im hier abgedruckten Aufsatz, lautet die These: Nach innen setzt sich innerhalb der Nationalstaaten die Logik der kapitalistischen Produktionsweise durch, »nach außen aber (bleiben) die vorkapitalistischen Strukturen, dh. (Unterstreichung E.A.) die Möglichkeit direkter staatlicher Intervention in die Ökonomie, beibehalten...« Sicherlich, im Begriff des Nationalstaats ist schon benannt, daß es sich um einen National- und nicht um einen Internationalstaat handelt. Aber wieso sich in dem Funktionsbündel des Nationalstaats, das sich auf internationale Absicherung “nach außen, bezieht, vorkapitalistische Strukturen erhalten sollen, während im Funktionsbündel des Nationalstaats nach innen gerade — auf der Grundlage der systemspezifischen Trennung von Ökonomie und Politik — die auf die Produktionsweise funktional bezogenen Interventionen stichhaltig sind, das bleibt so lange uneinsichtig, wie nicht staatstheoretisch dieser Funktions-/Dysfunktionsunterschied (bezogen immer auf die kapitalistische Produktionsweise) einigermaßen klar herausgearbeitet worden ist. Nicht zufällig existiert keine ernstzunehmende staatstheoretische Analyse, die diese Scheidung stützen würde, noch nicht einmal, wenn man ihr beschränkte historische Gültigkeit für die Übergangsphase vom Feudalismus zum Kapitalismus bescheinigen würde."
 
[Problemstellung: Verhältnis nationaler Staat und internationales Kapital im historischen Wandel]

6. ANHANG: Welche Aufgaben des Klassenkampfes sich die Redaktion der Zeitschrift ´Prokla´ setzte (Nr.1, 10/1971)

Sieht man sich die Liste der Unterzeichner des nachstehenden Editorials der Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik - PROBLEME DES KLASSENKAMPFES (Prokla) von 1971 an und die heutige öffentliche(n) Stellung(-nahmen) dieser Unterzeichner, so belegt dies geradezu musterexemplarisch die Bestimmung des Bewußtseins durch das gesellschaftliche Sein. Kaum räkelte das französische und italienische Proletariat um 1968 seine Muskeln und schon schlug sich die kleinbürgerliche Intelligenz ganz Europas auf seine Seite und reklamierte lauthals revolutionäre Strategie und Taktik durchdeklinierend seinen Führungsanspruch, faktisch in Sekten- und Grabenkämpfen mit sich selbst beschäftigt. Heute - wo das Proletariat Westeuropas sich führungslos auf ungeordnetem Rückzug vor den stetigen Angriffshieben der nationalen Bourgeoisien und ihrer politischen Regierungen im ökonomischen Betriebskampf zerreibt, ohne einen gemeinsamen Sammlungspunkt der politischen Organisierung der Defensive in Sicht (oder WAS?G)- kreieren dieselben Individuen als Staatsrentner auf weltumspannenden spektakulären Sozialforen o.ä. events ´alternative´ Durchhalteparolen des totgeweihten Kapitalismus oder versuchen sich in staatsfetischistischen linkssozialdemokratischen Parteigründungen nationaler oder €uropäischer Couleur - oder haben sich bis mehr oder weniger ganz rechts aussen durchgerungen. Die ´Prokla´ ist seit 1971 - wie andere Veröffentlichungsorgane der ´Neuen Linken´auch - inhaltlich stets mit den Richtungswechseln des Zeitgeistes gegangen und die Redaktionen haben ihrem Abkürzel dementsprechend einfallsreiche Umbenennungen der Zeitschrift untergeschoben.

"Editorial

Die Mehrheit der ehemaligen Redaktionskonferenz der Zeitschrift SOZIALISTISCHE POLITIK und einige weitere Genossen legen hiermit die erste Nummer einer neuen Zeitschrift vor: PROBLEME DES KLASSENKAMPFES - Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik. Die Herausgabe der neuen Zeitschrift wurde notwendig, nachdem vier Mitglieder der Redaktionskonferenz der SOZIALISTISCHEN POLITIK, die Herstellung und Vertrieb besorgten, hinter dem Rücken der übrigen Mitglieder eine GmbH (‚Verlag und Vertrieb Sozialistische Politik‘) gegründet und damit die ihnen übertragene faktische Verfügungsgewalt in ein bürgerliches Eigentumsrecht umgewandelt hatten. Zugleich verweigerten sie den übrigen Mitgliedern der Redaktionskonferenz die weitere Mitarbeit an der inhaltlichen und politischen Gestaltung der Zeitschrift, es sei denn, diese hätten die vollzogene Besitzergreifung anerkannt. Die neuen ‚Eigentümer‘ bemäntelten die Usurpation mit der von ihnen niemals zuvor erhobenen Forderung nach einer „bewußt und planmäßig vollzogenen Instrumentalisierung im Vorfeld der kommunistischen Partei“, sprich: SEW/DKP. Nachdem die Klage der Mehrheit der Redaktionskonferenz gegen die Usurpation vor einem bürgerlichen Gericht abgelehnt worden war, stand der ‚Instrumentalisierung‘ der SOZIALISTISCHEN POLITIK nichts mehr im Wege, was sich seit Erscheinen der Nr. 11 an der Mehrzahl der Beiträge deutlich ablesen läßt. (Im übrigen finden sich dort nur vertuschende Andeutungen zu den Konflikten innerhalb der Redaktionskonferenz.)

Es ist nicht unsere Absicht, den PROBLEMEN DES KLASSENKAMPFES einen weitgespannten theoretischen Programmentwurf vorauszuschicken, der notwendig aus Allgemeinheiten und abstrakten Postulaten bestehen würde. Die theoretische und politische Linie wird sich vielmehr in den in der Zeitschrift vorzulegenden Analysen im einzelnen, d. h. am Gegenstand darstellen und konkretisieren müssen. Im folgenden soll jedoch kurz einiges zu unserer Selbsteinschätzung sowie unseren nächsten Zielen gesagt werden. (Im übrigen lassen auch die von verschiedenen Mitgliedern der Redaktionskonferenz in der SOZIALISTISCHEN POLITIK Nr 1 - 10. in den ersten Sonderheften von PROBLEME DES KLASSENKAMPFES und anderswo veröffentlichten Arbeiten Schwerpunkte der theoretischen Arbeit und bestimmte politische Auffassungen erkennen.)

Wir alle sind in unserer theoretischen Arbeit und politischen Entwicklung in der einen oder anderen Form von der Revolte der Intelligenz bestimmt worden. Diese Revolte resultierte einerseits aus der Abwehr der von der ‚Bildungskatastrophe‘ diktierten Versuche des Staatsapparates, Schul- und

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Hochschulausbildung entsprechend den Bedürfnissen der Kapitalverwertung neu zu organisieren. Andererseits war sie Resultat des vor allem im Verlauf des Vietnamkrieges offenkundig werdenden Zerfalls der herrschenden bürgerlichen einschließlich der sozialdemokratischen Ideologie, die der Studentenbewegung weder eine gesellschaftliche Zukunft noch eine politische Zielsetzung aufzuweisen vermochten.

Erst durch einen mühsamen Prozeß des Lernens aus den G r e n z e n ihrer Revolte gelangte die Studentenbewegung zur Erkenntnis ihres r e l a t i v e n Stellenwerts als einer Bewegung im Überbau, begann sie ihre eigenen ideologischen Prämissen von der ‚Emanzipation des Menschen‘ und der Unterdrückung seiner ‚wahren Bedürfnisse‘, von der Intelligenz als ‚revolutionärem Subjekt‘ und dergleichen mehr infrage zu stellen. Diese bornierten Auffassungen konnten als utopisch und idealistisch erkannt und die Emanzipation der Arbeiterklasse von den Fesseln der Lohnarbeit zum Zentrum der theoretischen und praktischen Anstrengungen gemacht werden.

Die damit einsetzende Erarbeitung des wissenschaftlichen Sozialismus war und ist allerdings geprägt von der objektiven Situation der studentischen Intelligenz, ihrer relativ privilegierten Herkunft, der vorübergehenden Freistellung vom Zwang zum Verkauf ihres Arbeitsvermögens und ihrer gesellschaftlichen Isolierung. So stellt sich für uns hier die Frage, ob nicht die ursprüngliche Beschränktheit auch und gerade im Mantel der neuen Einsichten weiterlebt. Denn e i n e r s e i t s wird die Tradition der Arbeiterbewegung vielfach in bloß ideologischer Nachahmung durchlaufen, — die Geschichte der Arbeiterbewegung und der antiimperialistischen Bewegungen muß nun die Kostüme zur Selbstdarstellung von Intellektuellengruppen liefern. Die abstrakte Übernahme von ‚Prinzipien‘ aus der Geschichte der Arbeiterbewegung führt zur Konstruktion dogmatisierter Lehrgebäude, die viel zur illusionären Selbstüberschätzung von Intellektuellengruppen, wenig oder nichts zur Analyse der konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse und zur Ausbildung einer revolutionären Taktik hier und jetzt beizutragen vermögen. Aktuelle Probleme werden in zumeist unbegriffenen termini und Problemstellungen der Vergangenheit doktrinär gewendet. Ausdruck dieser hilflos-doktrinären Orientierung auf die Vergangenheit sind einige der jüngsten Organisationsbemühungen; dort, wo sie in Parteigründungen umschlagen, wo die Intellektuellen sich selbst zur ‚Avantgardepartei des Proletariats‘ und ´proletarischen Kadern‘ ernennen, erleichtern sie nur den Durchbruch bürgerlicher Eliteideologien und verhindern, daß die Intelligenz ihre eigentlichen politischen und wissenschaftlichen Aufgaben im Interesse der Arbeiterklasse erkennen und ernstnehmen kann.

A n d e r e r s e i t s besteht in der Aneignung der Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus, der Kritik der politischen Ökonomie, trotz gegenteiliger Beteuerungen ganz offensichtlich die Gefahr, den Unterschied zwischen der marxschen Analyse der Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft und der Analyse und Beurteilung zeitgeschichtlicher Prozesse einfach zu ignorieren.

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Anders lassen sich mißratene Versuche nicht Interpretieren, die zur gegenwärtigen Politik und Entwicklung von Organisationen, die mit einer langjährigen spezifischen Organisations- und Ideologiegeschichte, belastet sind (wie z. B. die DKP), lediglich unter Zuhilfenahme einiger allgemeiner Aussagen aus dem marxschen Kapital und aus seinen politischen Schriften Stellung zu beziehen versuchen. Sofern solche Versuche nicht bloß der scheinbaren Begründung voluntarischer politischer Stellungnahmen dienstbar gemacht wurden, drücken sich in ihnen die Schwierigkeiten der (in dieser Hinsicht unausgebildeten) Intelligenz aus, Geschichte und Aktualität der Klassenkämpfe zum Gegenstand materialistischer Analyse zu machen.

Wir halten die Auseinandersetzung vieler westdeutscher Intellektueller mit Theorie, Geschichte und Praxis des Marxismus sowie auch ihre Versuche zur organisierten Unterstützung des Kampfes der Arbeiterklasse für einen notwendigen und bedeutenden Fortschritt — wenn dies in bewußter Reflexion auf ihre objektive Stellung geschieht und wenn die Aneignung des Marxismus dem von Marx selbst gesetzten Anspruch genügen will, mittels der Erarbeitung des wissenschaftlichen Sozialismus Analyse und Kritik der bestehenden Gesellschaftsform und der ihr entsprechenden Bewußtseinsform voranzutreiben. Die Erarbeitung des Marxismus kann für Intellektuelle nicht einfach in einem Bekenntnis zum ‚Standpunkt des Proletariats‘ oder einer Aktivität ‚im Proletariat‘ bestehen. Sie muß sich vielmehr in erster Linie auf dem Gebiet der intellektuellen Tätigkeit selbst bewähren. Ohne den gewaltigen Überbau der verschiedenen Wissenschaften könnte die kapitalistische Klassengesellschaft nicht existieren; und ohne die theoretische Durchdringung der Bewußtseinsformen kann die Basis gar nicht in ihrem Klassencharakter begriffen werden. Erst auf der Grundlage einer solchen marxistischen Kritik läßt sich der heutige Kapitalismus wissenschaftlich analysieren, läßt sich eine Taktik des Klassenkampfes begründen. Vor allem an der Bewältigung dieser Aufgabe wird sich erweisen, ob sich Intellektuelle in ihrer eigenen Arbeit auf den Standpunkt der Arbeiterklasse gestellt haben. Wir sehen eine Hauptaufgabe der PROBLEME DES KLASSENKAMPFES darin, an einer so verstandenen Erarbeitung des Marxismus mitzuwirken.

Wir sind der Ansicht, daß die Erarbeitung des wissenschaftlichen Sozialismus und damit auch die Aussagen über die realen Klassenkämpfe sowie die entsprechenden taktischen Schlußfolgerungen in den meisten Zirkeln durch einen verengten Erfahrungsbereich und ein apologetisches, dogmatisiertes Vorverständnls hinter die Entfaltung der Klassenkämpfe zurückfallen. Marxismus in dieser Form entwickelt sich nicht zur Waffe im Befreiungskampf der Arbeiterklasse. sondern verknöchert zu einer spezifischen Ausprägung bürgerlicher Form der Theorie unter isolierten Intellektuellen. Wir sehen grundsätzlich die Notwendigkeit der organisierten Zusammenarbeit von Arbeitern und Intellektuellen, ohne e i n e der existierenden unentfalteten Formen der Zusammenarbeit zur einzig ‚korrekten‘ zu erklären. In der Redaktion werden in dieser Frage unterschiedliche Positionen vertreten. (In Bezug auf die Konzeption der Zeitschrift wird die Vorläufigkeit von Aufgabenstellung und Organisationsstruktur der Zeitschrift selbst vor dem Hintergrund sich verschärfender Klassenkämpfe mitreflektiert.)

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Wir wenden uns damit gegen die oft praktizierte Ansicht, die Intelligenz könne sich durch individuelle oder kollektive Proklamation zu einem ‚proletarischen Standpunkt‘ ‚bekennen. Anstatt die fehlende organisatorische Verbindung zur Klassenkampfbewegung selbstmitleidig zu beklagen oder uns zu hausgemachten proletarischen Standpunkten zu bekennen, sind wir der naheliegendsten Aufgabe marxistischer Intelligenz verpflichtet: der wissenschaftlichen Analyse und Kritik der bürgerlichen Gesellschaft.

Mit den geplanten Arbeiten zu aktuellen Entwicklungstendenzen des Kapitalismus, zur Theorie und Praxis des Revisionismus und Reformismus (insbesondere zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus und zur Rolle der Gewerkschaften) sowie zu Problemen der Klassenanalyse verfolgen wir die Absicht, Elemente einer Taktik des revolutionären Kampfes für die Gegenwart zu gewinnen In diesem Zusammenhang, aufgrund unserer kritischen Distanz zu den etablierten kommunistischen Parteien und aufgrund unseres Bemühens, den Revisionismusvorwurf entweder zu belegen oder zu destruieren, stellt sich weiter die Aufgabe, die Entwicklung der sozialistischen Länder ebenso wie die Geschichte und gegenwärtige Verfassung der kommunistischen Parteien einer präzisen Analyse zu unterziehen. Die Arbeiten in dieser Zeitschrift sollen die Diskussion zwischen denjenigen sozialistisch oder kommunistisch orientierten Gruppen oder Individuen eröffnen und weitertreiben, die die eilige Flucht in doktrinäre Formeln oder in reformistische Alltagspraxis vermeiden wollen.

Westberlin, 1. 10. 71

Elmar Altvater, Gerhard Armanski, Bernhard Blanke, Helga Faßbinder,
Dietrich Haensch, Hans-Dieter Heilmann, Eckard Hildebrandt, Jürgen
Hoffmann, Ulrich Huttenlocher, Wolfgang Müller, Christel Neusüß, W.
Petrowsky, Susanne Piening. Bernd Rabehl, Martin Reimann, Lothar
Riehn, Holger Rohrbach, Willi Semmler, Rudi Schmidt, Wolfgang Schöl1er,
Dieter Schütte, Volker Volkholz, Karlheinz Maldaner."
 
[Die (lesenswerte) Klassenposition der Intellektuellen der Prokla laut Editorial im Jahre 1971 - als Lehrbeispiel der Geschichte über die schwankenden Elemente der Zwischenschichten - als typisch kleinbürgerlich geführter akademisch-marxistischer Konkurrenzkampf um die Lufthoheit im linksbürgerlichen Blätterwald]

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