Karl Marx: „Die entfremdete Arbeit“ in „Pariser Manuskripte“ (1844)

- studentisches Kurzreferat für Fachbereich Soziologie 2003 -

1.Einleitung

Der vorzustellende Textauszug, in dem Marx das Thema der entfremdeten Arbeit behandelt, stammt aus den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“, die, 1844 entstanden, zu den frühen Schriften des Autors gehören. Sie stellen – aus heutiger Sicht - wichtige Vorarbeiten zu seinem eigentlichen wissenschaftlichen Hauptwerk („Zur Kritik der politischen Ökonomie“ /„Das Kapital“) dar. Unter dem Einfluss von Feuerbachs anthropologischen Materialismus wandte er sich bereits hier von Hegels idealistischer Philosophie ab („Kritik der hegelschen Dialektik“). Indem aber Marx seine gesamte Argumentation auf dem Verständnis von der Wesenhaftigkeit des Menschen aufbaut, wird die noch bestehende Nähe zu Hegels philosophischem Ansatz offensichtlich.

In dem Abschnitt „Die entfremdete Arbeit“ geht Marx auf vier verschiedene Ebenen der Entfremdung ein (Arbeiter-Produkt/Arbeiter-Produktion/Mensch-Gattungswesen/Mensch-Mensch). In gleichzeitiger Distanzierung von der nationalökonomischen Ideologie schlägt Marx seinen Argumentationsbogen ausgehend von dem „nationalökonomischen, gegenwärtigen Faktum“, der bestehenden Interdependenz von Arbeiter und Produktion zu Ungunsten des Arbeiters hinsichtlich der gesellschaftlichen Machtverhältnisse, zur Feststellung der Entfremdung des Menschen von sich selber als Naturwesen. Die entfremdete Arbeit soll in ihrem Verhältnis zum Kapitals begriffen werden.

 

2. Marxs Abgrenzung von der Nationalökonomie

Marx kritisiert, dass die von der Nationalökonomie beschriebenen Gesetze eine bloße Deskription von bestehenden Tatsachen sei, die somit keine „Ableitung eines Verhältnisses zwischen zwei Dingen“ liefern würden, sondern lediglich Fakten unterstellten, die es erst zu erklären gelte.

Im Gegensatz zur Nationalökonomie, die die wirtschaftlichen Fakten der Gesellschaft auf synchroner Ebene zusammenstellt, macht Marx sich zur Aufgabe, auf diachroner Ebene den historischen Prozess als gesellschaftlichen Zusammenhang analytisch auf den Begriff zu bringen.

 

3. Der Mensch als Gattungswesen

Als Grundlage seiner Argumentation greift Marx den philosophischen Gedanken der Wesenhaftigkeit des Menschen auf. Er sieht den Menschen als Teil der Natur, mit der er in gegenseitiger Wechselwirkung stehe. Als unorganischen Leib des Menschen begreift er alles, was der menschliche Körper nicht ist, was der Mensch sich aber durch seine Lebenstätigkeit (der Arbeit) zu eigen mache. Die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur finde somit in zweierlei Hinsicht statt: 1. die Natur als unmittelbares Lebensmittel seiner physischen Existenz und 2. als die Materie seiner Lebenstätigkeit, der Arbeit.

Das spezifische des Menschen im Gegensatz zum Tier sei, dass er ein Bewusstsein hat (Universalität des Menschen), welches ihm ermögliche, seine Lebenstätigkeit selbst zu bestimmen. Mit diesem Verständnis des Menschen als freies Wesen kann Marx die verschiedenen Ebenen der Entfremdung darstellen.

 

4. Verhältnis des Arbeiters zum Produkt seiner Arbeit

Gemäß seines Gattungswesens würde  die Lebenstätigkeit des Menschen darin bestehen, für sich selber zu produzieren. Das historisch entstandene kapitalistische Geldsystem aber stehe diesem entgegen, indem der Mensch hinsichtlich des beobachtbaren Phänomens der Ausbeutung des Arbeiters nur noch für eine „fremde, vom Produzenten unabhängige Macht“ produziere (für einen anderen Mensche, welcher ihm dafür einen Lohn aushändigt). Das Produkt seiner Arbeit würde sich somit dem Menschen gegenüber fremd und feindlich verhalten

Die Vergegenständlichung seiner unorganischen Umwelt durch die Arbeit, d.h. die „Verwirklichung der Arbeit“, führe somit zur „Entwirklichung des Arbeiters“. Durch seine Lebenstätigkeit gerate der Mensch immer mehr unter die Herrschaft seines Produkts. Diesen Vorgang beschreibt er als die Entfremdung des Arbeiters vom Produkt in doppelter Hinsicht, welches gleichzeitig Notwendigkeit seiner Arbeit, wie aber auch seiner physischen Subsistenz sei.

 

5. Verhältnis  des Arbeiters zum Akt der Produktion

Die Entfremdung vom Produkt lasse in logischer Schlussfolgerung die Entfremdung vom Akt der Produktion zu. Die Arbeit selbst sei dem Menschen somit fremd, d.h. dem Arbeiter „äußerlich“ geworden. Die Lohnarbeit sei also eine von außen aufgesetzte. Weil die Lohnarbeit des Menschen seinem Wesen, seiner Gattung, nicht mehr gerecht würde, könne sie nicht als freiwillig, sondern müsse als gezwungen angesehen werden. Arbeit wird als Lohnarbeit somit zur „Zwangsarbeit“. D.h. die Lebenstätigkeit des Menschen wird dahingehend funktionalisiert, als dass sie nicht mehr unmittelbar ein Bedürfnis befriedigt, sondern zum reinen Mittel degradiere.

 

6. Die Entfremdung von der Gattung

Da die Lebenstätigkeit Arbeit als Lohnarbeit zur Entfremdung des Menschen von Produkt und Produktion führe, sie aber als Arbeit gleichzeitig eine fundamentale Tätigkeit der Gattung Mensch sei, würde ebenfalls das Gattungsleben (Natur wie geistiges Vermögen) zum Mittel des individuellen Lebens, seiner Existenz, herabgesetzt.

 

7. Die Entfremdung des Menschen vom Menschen

Weil der Mensch ( Arbeiter ) zu sich und seiner Gattung fremd steht, tut er dies auch zu anderen Menschen. Der Mensch produziert nicht für sich, sondern für eine ihm fremde Macht (nicht die Götter, nicht die Natur), die sich in einem anderen Menschen, der kein Arbeiter ist,  personifiziere. Also wirtschaftet der Arbeiter nur noch für den Kapitalisten ( kapitalistisches Geldsystem ). Der Lohnarbeiter ist somit an seinem Ausbeutungsverhältnis aktiv beteiligt. Er produziert nicht nur sein Verhältnis zur Arbeit, sondern auch das des Kapitalisten zu seiner Arbeit.

 

8. Das Privateigentum als Konsequenz der entfremdeten Arbeit

Die Nationalökonomie, so Marx, geht vom Privateigentum als empirischer Tatsache aus, beleuchte aber nicht das Verhältnis des Lohnarbeiters zu dessen Arbeit. Dieses Verhältnis jedoch ermögliche, konstituiere erst tagtäglich das kapitalistische Privateigentum. Die Konsequenz der Entfremdung sei aber nicht nur das Privateigentum, sondern auch der Arbeitslohn, welcher denselben Verhältnissen entspringe. Eine Erhöhung des Lohnes bedeute damit auch nichts anderes als eine Vergoldung des Käfigs der Knechtschaft.

Die wahre Befreiung von der Lohnarbeit als „Zwangsarbeit“ sei dementsprechend eine allgemein menschliche Emanzipation, die sich gegen das Privateigentum richten und sich als eine politische Form der Arbeiteremanzipation formieren würde.