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Team Peter Heilbronn
Thema Staatskapitalismus bei Friedrich Pollock ( original )
Letzte Bearbeitung 07/2003
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1. Grundsätzliches
2. Staatskapitalismus - eine neue ökonomische Ordnung
3. Die herrschende Klasse
4. Die Integration der Gesellschaft
5. Die Organisation der Wirtschaft
6. Die Beziehung zwischen Regierung und Regierten
7. Die Rolle des Individuums
7.1. Eine Art Fazit
7.2. Überlebenschancen des Staatskapitalismus
7.3. Weitere Gründe

1. Grundsätzliches

Im Folgenden geht es um eine Darstellung und Kritik des 'Staatskapitalismus'-Begriffs von Pollock (P).
Dies erscheint wichtig in Zusammenhang mit dem Faschismusbegriff der Dialektik der Aufklärung (DdA), bzw. mit den Argumentationslinien von Horckheimer. Der Faschismus in seinem 'Denken nach Auschwitz' ist ja ein konstitutives Element der Philosophie hinter der DdA.
Die Kritik in den Kommentaren stellt meine Kritik aus der heutigen Sicht dar. Ansonsten wird mit Zitaten des vorliegenden Textes gearbeitet und sinnentsprechenden Zusammenfassungen. Soweit nicht anders gekennzeichnet sind alle Zitate aus 'Ist der Nationalsozialismus eine neue Ordnung'. Für die Sicht auf die ökonomische Auffassung Pollocks bietet sich der im gleichen Sammelband befindliche Beitrag 'Staatskapitalismus', in dem der Begriff selbst definiert wird und die Bedingungen seiner realen Existenz. Ein weiterer Text von Pollock, welcher viel tiefer geht in seiner Analyse und auch unter Marxscher Diktion steht ist 'Die gegenwärtige Lage des Kapitalismus und die Aussichten einer planwirtschaftlichen Neuordnung'.
Die histor Rahmenbedingungen
  1. gewaltige(!) Industrielle Entwicklung
  2. neuartiges Ausmaß des Konzentrationsprozeßes des Kapitals, Kartelle, Monopole
  3. Zerbrechen der alten Ord besonders im dt Kaiserreich
  4. heftige Krisen, Weltwirtschaftskrise
  5. Problem zwischen Weltmarkt und Nationaler Güterwirtschaft (Fichte)
  6. Faschismus und seine unglaublichen Verbrechen
Dies übte Druck auf die Wissenschaft, insbesondere die Nationalökonomen aus. Sie standen vor dem Dilemma, der Erklärungsdruck die bürgerliche Gesellschaft zu legitimieren, aber den Faschismus/Nationalsoz auszuschließen. Ist die bürgerliche Gesellschaft in wesentlichen Punkten aufgehoben oder nicht? Für P ja, damit sind ihr die Verbrechen nicht anzulasten.
Es macht sich die Beschränkung der bürgl Sicht dieser Zeit bemerkbar, die Wesen und Erscheinung, bzw Inhalt und Form des Kapitals nicht fassen kann. Die zum teil radikalen Veränderungen in den Phänomenen wird einer Wesensveränderung gleichgesetzt.
  1. Damit werden die neuen Entwicklungen des Kapitals dort, im Konzentrationsprozeß und
  2. fortschreitender Vergesellschaftung nicht erfasst und müssen als neue Gesellschaftsordnung begründet werden.
  3. Der vornazistische Kapitalismus wird Ideal als freier Markt dargestellt, mit frei agierenden Arbeitern und Unternehmern, was keine gesellschaftliche Realität hat, demgegenüber kommt nun die Arbeitsfront und staatliche Organisierung.
  4. Die Kriegswirtschaft und der Kriegskeynesianismus und der politischen Eingriffe werden als einfach Normalzustand des neuen System genommen.
  5. Er gibt selbst zu, das Profit und Lohnverhältnis also das Kapitalverhältnis erhalten bleibt, weil er dies nicht als dem Kapitalismus wesentlich ansieht, wohl aber den Markt, der aufgehoben scheint.
  6. Deshalb kommt er zum verwirklichten Primat der Politik, weil er diese völlig überschätzt, Befehlswirtschaft versus Marktwirtschaft.
  7. Mark heißt eigentlich nur Binnenmarkt, der Weltmarkt mithin das Wertgesetz bleiben außen vor
  8. Im Staatskapitalismus gibt es keine Krisen mehr.
 
[Hauptkritikpunkte]
Es fehlten historisch gesehen bei Pollock, wie auch bei der kritischen Theorie, die Begriffe den Faschismus als Gesellschaftsform zu analysieren und einzuordnen. Die Begriffe des klassischen Marxismus*2 Markt und Privateigentum (PE) sind nicht mehr genügendes Werkzeug. Die Totalitarismusthese hat hier eine ihrer Wurzeln. Die Kategorie der Arbeit überhistor zu fassen oder nicht, wird in Folge in der kritischen Theorie ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Horckheimer, der daran festhält, und Adorno.
 
[Neue Kategorien]
Zentral ist also die Frage nach der Aufhebung von Privateigentum und Markt. Das Dilemma offenbart sich darin, das hier zwar noch von Kap gesprochen wird, er aber als Staatskap doch eine ganz neue Gesellschaft sein soll. Es geht um die theoretische Rettung der bürgl Gesell. Für die aufgeklärten Bürger(Horckheimer, Adorno) muß dies im Angesicht der Verbrechen d NS doppelt schlimm gewesen sein.
Andererseits sieht man bei linksbürgerlichen ("marxistischen", sozialdemokratischen) Theoretikern, die gerade die neuen Momente der Kapitalentwicklung zb als 'Generalkartell' (Hilferding), oder auch Kautsky, Leichter, den strukturellen Weg zum Sozialismus sehen. Das wird dann gerade an der Höhe der Vergesellschaftung einzelner Betriebe festgemacht, die damit 'reif' für den Sozialismus in Form der Verstaatlichung sind. Da gibt es in der Einschätzung von Pollock bis hin zu notwendiger Vollbeschäftigung und quasi Gesamtplanung der gesellschaftlichen Produktion, welche die Krisen ausschließt(!) durchaus Parallelen.
In anderen Veröffentlichungen*1 hat sich P mit dem Thema Planwirtschaft auch auseinandergesetzt und diskutiert dort ihre grundsätzlichen Vorteile gegenüber dem Marktkapitalismus. Das betreibt er in marxistischer Diktion, was im Gegensatz zu vorliegendem Text steht und doch Erstaunen erzeugt. Dies müsste erarbeitet und dieser Kritik gegengehalten werden.
 
[Relativierung der Kritik]
Auch die Parallele zu unserer heutigen Zeit ist unverkennbar. In Zeiten krisenhafter Entwicklungen oder boomhaften Aufstiegs wird insbesondere die phänomenale Entwicklung (Finanzsektor,Vergesellschaftung), aber auch die techonologische in ein Ende des bisherigen Systems übersetzt. Es wird heute wie damals vom 'Ende des industriellen Kapitalismus' gesprochen. Damals als Verstaatlichungs- und Planungsperspektive, heute als Immaterialität der Arbeit, Computerisierung und verlierender Zentralität der industriellen Arbeit. Damals Marktkapitalismus zum Staatskapitalismus, heute Kapitalismus zur Dienstleistungsgesellschaft. Ein neuer Name, neue Form, aber gleicher Inhalt, das Kapitalverhältnis als Dominanzverhältnis in der heutigen Produktionsweise global. Die jeweilige Ideologie passt sich historisch merklich ganz dem Krisenzyklus und der technologischen Entwicklung an. (Soviel historischer Materialismus.) Das kann man hier sehr gut verfolgen.

2. Staatskapitalismus - eine neue ökonomische Ordnung

" Mein Ziel besteht darin, die neue Ordnung als ein neues wirtschaftliches und gesellschaftliches System im Gegensatz zum Monopolkapitalismus darzustellen. [Herv. von mir] " (Recht und Staat im Nationalsozialismus, S. 111)
 
[Ziel Pollocks]
- er unterscheidet ferner Wettbewerbs- und Monopolkap entgegen auch der Feudalord
- Maßstab seiner Unterscheidung, wesentliche Charakteristiken des eigenen gesell Sys
- wesentlichen Kennzeichen der modernen Gesell sind :
"
  1. Die herrschende Klasse
  2. Die Integration der Gesellschaft
  3. Die Organisation der Wirtschaft
  4. Die Beziehung ziwschen Regierung und Regierten
  5. Die Rolle des Individuums
"
(S. 111)
- es stellt sich also noch die Frage, wann Veränderungen von Institutionen zu einer neuen Gesellschaftsord führen
- in Folge werden die Merkmale einzeln analysiert und gewertet

3. Die herrschende Klasse

Vier Gruppen der Herrschaft, die die ehemalige Staatsherr unter sich teilen
  1. Großindustrie
  2. Wehrmacht
  3. die Partei
  4. die Bürokratie
" Während bis vor kurzem in der kapitalistischen Ära gesellschaftliche Macht sich primär von jemandes Eigentum herleitet, ist die gesellschaftliche Stellung unter dem Nationalsozialimus durch die jeweilige gesellschaftliche Funktion bestimmt. [Herv. von mir] " (S. 112)
 
[Schwindende Macht des Eigentums]
- das PE erleichtert den Zugang zur Macht, ist aber nicht mehr entscheidend
- die Stellung in Gesell entscheidet den Nutzen, der aus dem PE zu ziehen ist
" Trennung von Besitz und Kontrolle. " (S. 112)
 
[Neu Vergesellschaftungsstufe]
- so gibt es neben 'Besitz-Manager' den 'reinen Manager' ohne Besitz des Kapitals

{

Das ist aber rein in der Entw des Kapitals zu sehen, bei der Höhe der Teilung der Arbeit, vergesellschaftet das Kapital ab einer bestimmten Höhe, das die Funktionen der Kontrolle als "ursprüngliche" des Kapitalisten selbst von hochbezahlten Lohnarbeitern übernommen werden. Dasist heute Gang und gebe. (Siehe 'Kapital' BdIII)
P über nimmt hier die kleinbürgerliche Perspektive des um sein Kontrollrecht gebrachten ursprünglichen Besitzers des Kapitals und macht sich damit lächerlich.
(d.V.)}

Diese Erscheinung ist der Entw des Kap immanent als Konzentrationsprozess des Kapitals selbst. P sitzt hier hier der phänomenalen Ebene auf.
" Wenn andererseits sein Kapital groß ist und sein Unternehmen solide, wird der überflüssige Kapitalist auf die Funktion eines bloßen Rentenempfängers degradiert.[Herv. von mir] " (S. 112)
 
[Das Wesentliche übersehen]

{

Die "Degradierung" ist die Erhöhung zum eigentlichen Kapitalisten, seine wesentliche Bestimmung, der nur noch sein "Geld für sich Arbeiten läßt". Seine Rente ist rein und ungeschmikt der Profit, dh die unbezahlte Mehrarbeit seines lebendigen Teils des Kapitals. Das stößt in dieser Klarheit der parasitären Funktion, wo der gebildete Bürgern nicht darüber hinwegsehen kann, schon sauer auf.
Was P nicht erkennt, ist das gerade die wesentlichen Merkmale (Ausbeutung, Verwertung, Profit) des Kapitals sich erstmalig in ihrer entwickelsten Gestalt zeigen. Davon hat er aber keinen Begriff, da er die unentwickelteren Formen als das Wesentliche des Kapitals nimmt. Er kann so mit der neuen Vergesellschaftungsstufe des Kapitals und seinem immanenten Konzentrationsprozesses nichts anfangen.
(d.V.)}

" Selbst den mächtigsten Konzernen hat man das Recht aberkannt, neue Geschäftszweige dort zu errichten, wo die höchsten Profite zu erwarten sind; oder die Produktion zu unterbrechen, wo sie unprofitabel sind. Diese Rechte sind in ihrer Gänze den herrschenden Gruppen übertragen worden. " (S. 113)
 
[Machtverschiebung]
- wozu aber die Großindustrie selber gehört laut P.
- Macht (der Verfügung) wird hier der Ohnmacht des Eigentümers entgegengestellt
- behördliche Zustimmung zu Unternehmungen (ist heute aber genau so)
- Generalplan der Regierung entscheidet (aber die Industriellen machen diesen Plan mit, zb Erschliessen von Rohstoffgebieten im anvisierten Kriegsgebiet, Sonderkonditionen zur Produktion)
- zwangsweise Staatsanleihen

{

Die Staatsaufträge werden das Kapital sicher nicht ruiniert haben. Ganz im Gegenteil hat die Harzer Front mit den meisten Großindustriellen, die später als 'Wirtschaftsführer' integriert und billige Sklavenarbeiter bekommen haben, Hitler in den Sessel gehievt. Großindustrie und politische Führung haben sich wechselseitig unterstützt. Für einen Bürgerlichen ist das wieder schwerzu verdauen.
Am Wesen der kapitalistischen Produktion (Ausbeutung,Lohnarbeit, Profit) hat sich durch die Maßnahmen entgegen Pollock nichts verändert.
(d.V.)}

" Kaum nötig zu erwähnen, daß all jene, die nicht zu den herrschenden Gruppen - die städtischen und ländlichen Mittelklassen, Arbeiter und Angestellte - über keine institutionalisierten Mittel verfügen, ihren Willen gegenüber den Herrschenden durchzusetzen. Ihre Organisationen sind zerstört worden oder umgeformt worden zu Agenturen, sie zu beherrschen. " (S. 113 f.)
 
[Die Herrschaft bleibt]

{ Da sollte man sich heutige politische Parteien (SPD) und Gewerkschaften ansehen. (d.V.)}

" Die Gesamtheit dieser Veränderungen zusammen mit dem Funtkionswandel des Eigentums rechtfertigen es nach meiner Meinung, von einem qualitativen Wandel in der herrschenden Klasse unter dem Nationalsozialismus zu sprechen. Obgleich die Macht der Industriemonopolisten nocht enorm sein mag, ist sie heute angewiesen auf den guten Willen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der "Praktiker der Gewalt". " (S. 114)
 
[Fazit]

{ Andererseits ist es auch anderherum, dass die politische Führung abhängig ist von den Besitzern des Kapitals undihrem Wohlwollen, wenn auch nicht mehr so stark wie in der bürgerlichen Demokratie. Die Zwänge der Kriegswirtschaft werden unterschätzt. In diesen Zeiten wird das absolute Primat der Ökonomie immer durch die Politik überformt, ohne dieses jedoch ernstlich zu gefährden. Ebenfalls wird die Gestaltungsmöglichkeit, die sich der Politik gibt durch den Weltmarkt absolut außenvorgelassen. Da kommen aber die rüstungswichtigsten Rohstoffe her und diese Preise kann der NS-Staat nicht dekretieren! Deshalb natürlich dann auch die Eroberungstour Richtung Persischer Golf und Balkan. (d.V.)}


4. Die Integration der Gesellschaft

" Freie Arbeit-nehmer und freie Unternehmer treffen sich auf dem Markt. Einkommensgrößen bestimmen den gesellschaftlichen Wert und die Macht des Individuums. " (S. 114)

{ Hier wird das typische bürgerliche verkürzte Idealbild der bürgerlichen Gesellschaft gemalt
(d.V.)}

" Der Nationalsozialismus hat die letzten Reste von solchen freien ökonomischen Subjekten abgeschafft: Besitz und Einkommen sind nicht mehr die vorrangigen Bestimmungsgrößen der gesellschaftlichen Stellung des Individuums, Kapitalisten wie Arbeiter sind organisiert in einer alles umfassenden Organisation, der Arbeitsfront, und ideologisch eingeschniolzen in die völkische Gemeinschaft. " (S. 114)

{ Das Lohnarbeitsverhältnis und der Profit werden nicht angetastet. Was ist in diesem Zusammenhang dann zb das Arbeitsamt oder die Verein der deutschen Industrie? (d.V.)}

" Ihre Beziehung ist definiert als eine von Führern und Gefolgsleuten und ist gegründet auf Befehl und Gehorsam. Obgleich Löhne gezahlt werden, haben sie ihre hauptsächliche Funktion verloren, die nämlich, die Arbeitskräfte innerhalb des wirtschaftlichen Prozesses zu verteilen. " (S. 114)

{ Diese Funktion haben sie tatsächlich immer noch, auch im NS. Aber die grundsätzlich Funktion ist natürlich, dass sich die Arbeiter als solche reproduzieren können, als variables Kapital. Durchschnittsarbeit bring Durchschnittslöhne, die auch heute gebrochen sind nach Betriebsgröße, Tarifverträgen und anderen Dingen. (d.V.)}

" Geld allein verleiht nur begrenzte Macht oder (wie im Fall der luden) überhaupt keine. Politische Macht hingegen, die gleichwertig ist mit der Kontrolle der Produktionsmittel, kann die Quelle praktisch unbegrenzter Einkünfte werden. " (S. 115)
 
[Überbetonung des Politischen]
" Die feudalistische Gesellschaft ist charakterisiert durch die Unmittelbarkeit menschlicher Beziehungen, die gegründet sind auf einem Vertrag von Treu und Glauben, der unvereinbar ist mit autoritärer Disziplin. " (S. 115)
" Der Leiter eines deutschen Unternehmens ist bloß ein Zahnrädchen in einer riesigen Verwaltungsmaschinerie, welche die letzten Uberbleibsel persönlicher Beziehungen, die es in der kapitalistischen Gesellschaft noch bag, zerstört hat. " (S. 115)

{ Deutlicher kann eine romatische Charakterisierung nicht ausfallen. Richtig ist die Charakterisierung als direktes personales Ausbeutungsverhältnis in Fronarbeit und Abgaben, Hörigkeit bis hin zur "treuen" Leibeigenschaft. Als ob eine personale Knechtschaft besser ist als eine anonyme Ausbeutung. (d.V.)}


5. Die Organisation der Wirtschaft

" Der Nationalsozialismus hat keine Planwirtschaft in dem Sinne geschaffen, daß das gesamte wirtschaftliche Leben gemäß einem wohl konzipierten und detaillierten Plan gestaltet und dirigiert werden kann. Sein sogenannter Vierjahresplan ist nie veröffentlicht worden, weil er nicht existiert. Er darf wohl als eine bloße List betrachtet werden, um die Konzentration der Kontrolle zu intensivieren und die Rüstungsproduktion zu beschleunigen. " (S. 115)
- es gibt also keinen Generalplan
" Selbst gegen ihre Wünsche und gegen ihre Präferenzen sind die Tatsachen im Begriff, die alte Ordnung zu zerstören. Ein Eingriff produziert mit Notwendigkeit den anderen. Die Führungskräfte müssen zunehmend drastischere Schritte unternehmen: sie stehen vor der unerfreulichen Alternative, entweder darin fortzufahren und eine Uberlebenschance zu haben oder damit aufzuhören und mit dem völligen Zusammenbruch zu rechnen. Um zusammenzufassen: alle fundamentalen Konzepte und Institutionen des Kapitalismus habe ihre Funktion geändert; die Eingriffe des Staates in die Struktur der alten Wirtschaftsordnung haben schon wegen ihrer schieren Vollständigkeit und Intensität "Quantität in Qualität verwandelt", den Monopolkapitalismus in den Staatskapitalismus überführt. "
" Die Kartellorganisationen zusammengefaßt in der Nationalen Wirtschaftskammer, tragen offensichtlich zusammen mit der umfangreichen Vierjahresplan-Bürokratie die Hauptlast dieser Aufgabe. Solch eine zentrale Steuerung führt zum gegenwärtigen Verschwinden des Marktes als Steuer der Produktion. Es sind nicht nur viele Preise eingefroren worden. Selbst wenn Preisbewegungen noch gestattet sind, dienen sie nicht länger als Signale für die Intensivierung oder Kürzung der Produktion. Die Zuteilung von Rohstoffen. Maschinen, Treibstoffen und Asbeitskräften hat allmählich das System der Verteilung von Produktionsfaktoren ersetzt. " (S. 116 f.)

{

Hier überschätzt P glaube ich selbst für seine Zeit die Einwirkmöglichkeiten, die Rolle des Weltmarktes und die Notwendigkeit der fallenden Profitrate. Außerdem wird die Situation der Kriegswirtschaft als die normale dieses neuen ökonomischen Systems dargestellt, was falsch ist und die politischen Eingriffe nicht rechtfertigen würde. Siehe auch "deficit splending", Kriegskeynsianismus.
Die Ökonomie löst sich auf in Politik. Das kann an heute im Zeichen der Globalisierung als Ideologie umgekehrt beobachten.
(d.V.)}

" Ich glaube nicht, daß zentrale Steuerung lediglich die Folge von Knappheit ist, die in jeder Kriegswirtschaft vorkommt und die mit der Notsituation verschwindet. Im Gegenteil: das ausdrückliche Ziel der Wirtschaftspolitik der Nazis ist ständige Vollbeschäftigung ohne die immer wiederkehrenden Phasen des Aufschwungs und der Depression; oder, um es mit den Worten eines Nazi-Autors auszudrücken, "eine Epoche ohne Konjunkturzyklen, die die Erfüllung nationalsozialisti- 1 scher Ziele ist, und die dem Arbeitgeber die harten Zeiten des Verlustes und Zusammenbruchsrisikos erspart"." " (S. 117)

{ Ja, das Ziel haben auch die Sozialdemokraten der heutigen Zeit bis hin zur PDS. Das hat aber mit der Kapitalbewegung, der die Krisen wesenhaft sind, nichts zu tun. Das würde, wenn wirklich, eine bestimmte oder teilweise Aufhebung des Kapitalverhältnisses bedeuten, wie im Innland der DDR zb. bedeuten (d.V.)}

" Ich würde darauf eine paradoxe Antwort geben: es gibt Profite in Nazi-Deutschland und es wird sie weiterhin geben, sogar enorme Profite fürl das 'big business', aber das Profitsystem, so wie wir es kannten, ist dennoch gestorben. Profite haben ihre wesentliche wirtschaftliche Funktion verloren, die nämlich, den KapitaUluß zu dirigieren. Um es noch einmal paradox auszudrücken, unter dem Nationalsozialismus ist Produktion gebrauchsorientiert und nicht profitorientiert. [Herv. von mir] " (S. 117)
- GW hier aber nur als nicht Produktion für den Markt

{ Wo es Lohn gibt, da gibt es auch Markt. Das basale Abhängikeitsverhältnis des Produzenten von den Eigentümern der Produktionsmittel (PE, hier Kapital) benötigt notwendig eine vermittelnde Instanz. Gibt es Lohn in Geldform, dann einen Platz wo er wieder in die Zirlulation zurückfließt, also einen Markt, sonst wäre der Lohn sinnlos. (d.V.)}

" Unter dem Nationalsozialismus werden selbst die mächtigsten Profitinteressen dem allgemeinen Plan untergeordnet. " (S. 117)
" Es ist das Interesse der herrschenden Gruppe als Gesamtheit, das entscheidend ist und nicht das individuelle Interesse derer, die zu ihr gehören. " (S. 117)

{ Das ist aber allgemein beim bürgerlichen Staat als ideeller Gesamtkapitalist der Fall. Auf der Ebene der Nation zählt nur das allgemeine Interesse der nationalen Kapitalisten gewichtet nach Kapitalgröße. Der Klassenkampf hat da auch noch ein Wörtschen mitzusprechen und nicht zuletzt über dem Weltmarkt vermittelt das globale Gesamtinteresse der Kapitalistenklasse als ganzes, sowie natürliche auch die stoffliche Seite der Produktion. (d.V.)}

- Markt wird durch Befehl ersetzt
" Zwei Funktionen bleiben den Profiten in Nazi-Deutschland erhalten: als Einkommen für die Besitzer von Vermögen und als Prämie für unternehmerische Leistung. " (S. 118)
 
[Kapital bleibt wesentlich]

{ Hier sitzt P den Verkehrungen des Profites auf. Ihm erscheint der Profit als Zins und Unternehmerlohn, ganz klassisch verkehrt, wie Marx schon analysiert im 'Kapital' Bd.III. Der Profit, also seine Teile Unternehmerlohn und Zins, sind aber nichts anderes als unbezahlte Mehrarbeit. Also bleiben gerade die Wesensmerkmale des Kapitalverhältnisses im Staatskapitalismus erhalten. (d.V.)}

" Da Geschäftszyklen ausgeschaltet sind, ist es ganz "natürlich", daß "der Profit für die durchschnittliche unternehmerische Leistung, ein Profit, auf dem nicht mehr die Hypotheken von Verlusten und Risiken liegen, kleiner sein wird als in den früheren Zeiten des >Booms< und der Depressionen".' " (S. 118)

{ Hier zeigt sich, dass er voll dem Fetisch aufsitzt und gar keine Ahnung hat. Die Krisen können wie gesagt, da sie dem Kapital immanent sind, nicht als solche "ausgeglichen" werden. (d.V.)}


6. Die Beziehung zwischen Regierung und Regierten

" Die herrschenden Gruppen üben ihre Herrschaft über die Massen mit Hürokratien aus, deren obere Ränge selbst Teilhaber des "Kompromisses" sind und die in den niedrigen Rängen von Polizei, Justiz und Parteibürokratie als die ausführenden Organe agieren, denen die Bändigung der Massen anvertraut ist. " (S. 118)
" Erstens: die Position des Individuums hängt stark ab von der Stellung innerhalb seiner Gruppe. Diese Stellung nun wird sanktioniert durch administrative Verordnungen, die die Regeln des Bürgerlichen Rechts beiseite geschoben haben. Eine neue Sachlage hat sich ergeben, die man treffend bezeichnet hat "als eine Synthese von Regierungsgewalt und Privatwirtschaft". Zweitens: die Konsequenz dieser neuen Synthese ist das Verschwinden des Gesetzes als einer Herrschende wie Beherrschte gleich bindenden Kraft. " (S. 118)

7. Die Rolle des Individuums

" All die offiziellen Anstrengungen, um Arbeit und Freizeit zu verschönern, all die "Kraft durch Freude"-Aktivitäten dienen letztlich dazu, die Produktivität des Individuums zu erhöhen, seine Arbeitsmotivation zu verstärken, seine Leistungsfähigkeit zu verbessern. Die Mobilisierung des Individuums ist grenzenlos: der Nationalsozialismus reißt die Schutzwälle nieder, die die liberalistische Ara zwischen dem privaten und dem gesellschaftlichen Leben errichtet hatte. Diese Mobilisierung kann jedoch nicht durchgeführt werden, ohne das Individuum für den völligen Verlust seiner Unabhängigkeit zu entschädigen. " (S. 119)

{ Genau so soll es im Kapitalismus sein, maximale Ausnutzung aller, auch der humanen Resourcen. (d.V.)}

" Und, was vielleicht am wichtigsten ist, die Befreiung dieser Sphäre ist sorgfältig abgestimmt mit der Weckung unbewußter Instinkte gegenüber den Feinden und Sündenböcken des Regimes: Grausamkeit gegenüber Schwachen und Hilflosen (Juden, Schwachsinnigen, 'Asozialen), Haß auf rassisch Fremde, oder unbewußte Regungen, die unmittelbar dem Interesse der gegenwärtigen Machthaber dienen wie masochistische Unterwerfung unter alle Formen von Befehl, Leiden, Opfer oder Tod. Das Individuum ist auf diese Weise gefangen in einer physiologischen und psychologischen Struktur, die den Zweck hat, seine Unterdrückung zu verstärken und zu verlängern. Es würde sich lohnen, die fundamentalen Veränderungen in der Rolle des Individuums aus der Sicht der veränderten Stellung der Familie zu diskutieren. Die Familie in Nazi-Deutschland ist in Auflösung begriffen und aller ihrer früheren Funktionen beraubt. Sie verleiht dem Individuum keinen wirtschaftlichen Schutz mehr. Worte, unvorsichtig gegenüber den eigenen Kindern gebraucht, können zum Unglück führen. Die Erziehung ist völlig in die Hände der Partei übergegangen, und sogar das Monopol der Familie auf legitime Zeugung ist gebrochen worden.! " (S. 120)
 
[Die Familie]

{ Das mit der Familie ist für einen bürgerlichen schon traurig. Die heutige Realität in den sog. Industrieländern zeigt allerdings, das das Kapitalverhältnis alle sozialen Verhältnisse umwälzt und zur Zeit die Alleinerziehenden auf dem Vormarsch sind. Die Familie löst sich ganz ohne NS auf, Kinder werden zum finanziellen Risiko. (d.V.)}

" Ich hätte noch andere hinzufügen müssen, zum Beispiel über die Natur des neuen Imperialismus. Sein entscheidender Unterschied liegt darin, daß der altmodische Imperialismus saturiert werden konnte, während der neue Imperialismus sich unaufhörlich expandieren muß, bis er die Weltherrschaft erlangt hat. " (S. 120)

7.1. Eine Art Fazit

" Dennoch beschreibt der Begriff >Staatskapitalismus< besser als irgendein anderer vier Eigentümlichkeiten des neuen Systems:
(1) daß die neue Ordnung der Nachfolger des Privatkapitalismus ist,
(2) daß der Staat wichtige Funktionen des Privatkapitalisten übernimmt,
(3) daß kapitalistische Institutionen wie der Verkauf von Arbeitskraft oder Profite noch eine bedeutende Rolle spielen und
(4) daß es kein Sozialismus ist. "
(S. 121)
 
[Das Wesentliche bleibt erhalten]
" Was mir am Begriff der 'Befehlswirtschaft' treffend erscheint, ist dies, daß er sich selbst grundsätzlich dem Begriff der 'Tauschwirtschaft' entgegensetzt. Er vermittelt den Eindruck einer Wirtschaft, die auf den Befehl in einer ähnlichen Weise gegründet ist wie die liberale Wirtschaft auf den Tausch. " (S. 121)
" Wenn ich nun diese Kategorie verwende, möchte ich damit nicht implizieren, daß das nationalsozialistische Deutschland ein voll entwickelter Staatskapitalismus oder eine totale Befehlswirtschaft sei. Ich möchte lediglich betonen, daß das neue deutsche System diesen wirtschaftlichen Konzepten näher steht als jenen des >laissez faire< oder des Monopolkapitalismus. " (S. 121)
" Unter dem Nationalsozialismus beobachten wir wieder einen typischen Umschlag von Quantität in Qualität. Die monopolistischen Organisatioien agieren nicht mehr als Störenfriede des Marktes, sondern übernehnen die Marktfunktionen als Regierungsagenturen. Wenn früher die Kartelle mehr oder weniger freiwillige Zusammenschlüsse waren, sind ;ie jetzt umfassende Zwangskartelle geworden. Anstatt daß jede einzelie industrielle Gruppe für maximale Profite auf Kosten immer häufige:er Produktionsunterbrechungen kämpft, übernehmen sie nun kollektiv iie Verantwortung für die Koordination des wirtschaftlichen Prozesses md damit für die Aufrechterhaltung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung. " (S. 122)
 
[Konzentration des Kapitals]
" Unterdessen werden unter dem Einfluß von Prioritätensetzungen, Arbeitskräftezuteilungen und Austauschkontrollen die kleineren Betriebe mit Höchstgeschwindigkeit ausgerottet. " (S. 122)

7.2. Überlebenschancen des Staatskapitalismus

" Unter einem neuen System von Regeln verstehe ich die Prinzipien, welche angewendet werden, um die Prinzipien des 'laissez faire' zu ersetzen. Viele der neuen Maßnahmen sind zuvor schon erwähnt worden, besonders die eherne Notwendigkeit der Vollbeschäftigung. Der totalitäre Staat ist in der Lage, dieses einzelne Recht allen seinen >Volksgenossen< zu garantieren, ein Recht, welches kein demokratischer Staat bisher seinen Bürgern zu garantieren vermochte: wirtschaftlichefl Sicherheit. Der Preis für diese Sicherheit ist die totale Brutalisierung der Gesellschaft. [Herv. von mir] " (S. 123)

{ Die Kosten dafür sind ständige Expansion, also Krieg und das hat seine Grenze. (d.V.)}

7.3. Weitere Gründe

" ... Entscheidung des Marktes abhängt, der immer nur 'post festum' verifiziert, sondern das resultiert aus der bewußten Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Produktion, noch bevor man mit ihr beginnt.

Da ist zweitens die Verwaltung der Preise, denen nicht länger gestattet wird, sich als Herren des wirtschaftlichen Prozesses zu gebärden, sondern die reduziert werden auf präzis gehandhabte Werkzeuge.

Drittens ist da, wie bereits erwähnt, die Unterordnung des Profitinteresses unter das allgemeine wirtschaftliche Programm.

Und es gibt viertens die Ersetzung von bloßen Schätzungen durch die Prinzipien wissenschaftlichen Managements in allen Bereichen des öffentlichen Lebens (und unter dem Nationalsozialismus bedeutet das in allen gesellschaftlichen Bereichen). Bloße Mutmaßungen und Improvisationen müssen einer alles umfassenden technischen Rationalität weichen. [Herv. von mir] "
(S. 124)

{ Das sollte man noch mal gesondert diskutieren, entspricht m.E. aber dem normalen Entwicklungsgang des Kapitalismus, (d.V.)}

" Das Primat der Politik über die Wirtschaft, das in demokratischen Ländern immer so sehr diskutiert worden ist, ist eindeutig errichtet. " (S. 124)
" Aber es ist etwas anderes, wenn man die wirtschaftlichen Gesetze dagurch außer Kraft setzt, daß man den Markt seiner wichtigsten Fuiiktion beraubt. " (S. 124)
" - aber ich betone, daß in einer Befehlswirtschaft "alle theoretischen Gesetze der klassischen Wirtschaftstheorie ebenso wie die Theorie des monopolistischen Wettbewerbs weitgehend keine Geltung mehr haben. Trotz gewisser unvermeidlicher Abweichungen (die davon kommen, daß Reste der alten Ordnung noch neben der neuen sich finden) bleibt die fundamentale Tatsache bestehen, daß jeder Befehl im wirtschaftlichen Bereich mit einer Umsicht erlassen wird, die alles, was unter individualistischen und monopolistischen Bedingungen möglich war, hinter sich gelassen hat".(25) " (S. 125)
 
[Seine notwendige Schlußfolgerung]
" Wenn ich die Struktur des Staatskapitalismus analysiere, kann ich keine wirtschaftlichen Kräfte entdecken, die das Funktionieren der neuen Ordnung verhindern würden. Die Befehlswirtschaft verfügt über Mittel, um die wirtschaftlichen Ursachen von Depression, kumulativer destruktiver Prozesse und Unterbeschäftigung von Kapital und Arbeit auszuschalten. Wirtschaftliche Probleme im herkömniiichen Sinne wird es dann nicht länger geben, wenn die Koordination aller wirtschaftlichen Aktivitäten mit Bewußtsein ins Werk gesetzt wird anstatt durch die $gt;natürlichen Gesetze< des Marktes. " (S. 125)

- teilweise gleiche Leute in den Apparaten
*1
Friedrich Pollock 'Die gegenwärtige Lage des Kapitalismus und die Aussichten einer planwirtschaftlichen Neuordnung'; 'Zeitschrift für Sozialforschung', Jg 1. 1932, Max Horckheitmer (Hg.)
*2
Jochen Baumann mit Moishe Postone 'Andere Zeiten brauchen andere Begriffe'; Jungle World 21/1999

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last update : Wed Jun 16 17:23:13 CEST 2004 Peter Heilbronn
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